Haustierverbot, um CO2 einzusparen, kein regulärer Studienabschluss, Nacktbilder: Über die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, werden ausserordentlich viele Narrative verbreitet, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ihre beiden Konkurrenten ums Kanzleramt sind weit weniger häufig das Ziel solcher Desinformationskampagnen. Das zeigt eine Analyse von Avaaz. Die Bewegung will unter anderem Desinformation bekämpfen.
Es sei im deutschen Wahlkampf bisher einmalig, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin im Vergleich zu anderen Politikern so klar hervorsteche, was Fake News betrifft, sagt Christoph Schott, Kampagnenleiter bei Avaaz. «Sie ist klar das Nummer-eins-Ziel von diesen Falschnachrichten.»
Die Narrative von Baerbock seien zunächst auf Social Media aufgetaucht und anschliessend von Nutzerinnen und Nutzern, auch privat, geteilt worden. Und auch nach der Faktenprüfung seien die Themen von Online-Medien aufgegriffen worden: «Hasst Annalena Baerbock wirklich Hunde?»
Das sei gefährlich, sagt Schott: «Die Medien wiederholen die Falschnachricht und diese wird erst weiter unten im Text korrigiert. Dadurch kommen viele Menschen erst mit der Falschnachricht in Verbindung und glauben sie vielleicht sogar, weil sie nicht klar widerlegt wurde.»
Millionenfache Verbreitung von Falschnachrichten
In der Analyse wird festgehalten, dass die Desinformationen in Deutschland mittlerweile die Massen erreicht haben. Damit haben sie das Potenzial, eine Gefahr für die Bundestagswahlen darzustellen. Denn über die Hälfte der deutschen Erwachsenen hätten eine Falschnachricht über Baerbock gesehen. Bei 60 Millionen Wählerinnen ergibt das mehr als 30 Millionen Menschen.
Falschnachrichten, die hängenbleiben und ein falsch gesetzter Fokus: «Man hat die letzten Monate gesehen, dass sehr viel Fokus auf Nebenschauplätze gerichtet wurde – von Baerbocks Lebenslauf bis hin zu kleinen oder privaten Details von den Kandidaten», so der Kampagnenleiter. Dabei gäbe es wichtigere und grosse Themen: «Von Klimawandel bis Digitalisierung; was im Land ansteht, was ein neuer Kanzler oder eine neue Kanzlerin am Ende lösen muss.»
Schott ist der Meinung, dass Fake News Wahlen und Wahlkämpfe bereits beeinflusst haben und auch weiterhin werden. Als Beispiel nennt er den US-Wahlkampf zwischen Clinton und Trump aus dem Jahr 2016. «Das US-Meinungsforschungsinstitut Gallup hat festgestellt, dass das Wort ‹E-Mail› auf die Frage, was die Wählerinnen und Wähler über Hillary Clinton gehört haben, dominiert hat.» Es sei sicherlich nicht alles falsch daran, doch die grosse Rolle, die das gespielt habe, könne hinterfragt werden.
In Deutschland war es Baerbocks Lebenslauf, der diese grosse Rolle gespielt hat. Der Kampagnenleiter bei Avaaz appelliert abschliessend, sich nicht von Falschnachrichten ablenken zu lassen, sondern das grosse Ganze im Blick zu haben.