Hunderte Menschen führten in den letzten Wochen mit einer App auf ihrem Handy ein Tagebuch. Sie erfassten, wann sie aufstanden, wie sie arbeiteten und wie sie mit Arbeitskolleginnen und -kollegen kommunizierten.
Über 3000 Protokolle liegen schon vor. Dabei zeigte sich, wie alleinstehende Mütter die Zerreissprobe meistern, den Haushalt schmeissen, die Kinder unterrichten und arbeiten – alles gleichzeitig. Und wie Männer mit Vollzeitpensen sich daheim weiterhin wenig um Kinderbetreuung kümmern.
Gewohnte Uhrzeiten beibehalten
Die ersten Erkenntnisse dieser belgischen Zeitnutzungsstudie zeigen, dass sich viele Menschen an ihre Gewohnheiten klammern – seien es nun gute oder schlechte. Die Mehrheit beginnt um 9 Uhr mit der Arbeit, macht um 12 Uhr Mittagspause und beendet den Arbeitstag gegen 17 Uhr.
Ignace Glorieux, Professor für Soziologie an der Freien Universität Brüssel und an dem Projekt beteiligt, findet das erstaunlich: «Ich hätte erwartet, dass Menschen ihren Tag flexibler gestalten und früher mit der Arbeit beginnen, um am Nachmittag frei zu sein. Aber nichts dergleichen.»
Weniger Stunden im Homeoffice
Viele arbeiten zu normalen Bürozeiten. Und alle arbeiten weniger, als sie meinen. Durchschnittlich leisten Männer und Frauen zehn Stunden weniger bezahlte Arbeit pro Woche. Da zeigt sich der Unterschied zwischen unverbindlichen Umfragen und minutengenauen Tagesablaufprotokollen.
Wenn sich die Aufgabenteilung ausgleicht, dann nur, weil Frauen weniger Zeit aufbringen für Hausarbeit. Nicht weil Männer mehr mithelfen.
Wie viel wir glauben, daheim zu arbeiten, entspricht nicht immer der Realität. Die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern geben an, in den letzten Wochen deutlich weniger gearbeitet zu haben. Der Rückgang der Arbeitszeit bei alleinstehenden Frauen mit Kindern ist besonders signifikant.
Kein Einfluss auf Arbeit von Männern
Bei Männern beeinträchtigt die Anwesenheit von Kindern im Homeoffice kaum deren tatsächliche Arbeitszeit. Professor Glorieux überrascht das nicht: «Wenn sich die Aufgabenteilung ausgleicht, dann nur, weil Frauen weniger Zeit aufbringen für Hausarbeit. Nicht weil Männer mehr mithelfen.»
Die Forscherinnen und Forscher wollen ihre Zeitnutzungsstudie noch einige Wochen weiterführen, um die Auswirkungen der Lockerungsmassnahmen erfassen zu können. Dann können sie auch besser abschätzen, wie rasch neue Routinen alltäglich werden, oder wie rasch einen der Alltag wieder einholt.