Nahost-Konflikt auf Prioritätenliste: US-Präsident Joe Biden ist auf seinem ersten Nahost-Besuch seit seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren in Israel angekommen. Das Weisse Haus teilte vorab mit, Biden werde in Israel das «eiserne Engagement» der USA für die Sicherheit des Verbündeten bekräftigen. Bei seinen politischen Gesprächen werde es auch um Israels zunehmende Integration in die Region gehen. Beim Treffen mit Palästinenserpräsident Abbas werde Biden seine nachdrückliche Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung unterstreichen, «die dem palästinensischen Volk ein gleiches Mass an Sicherheit, Freiheit und Chancen bietet».
Trumps Hinterlassenschaft und Bidens Versprechen: Die letzte Reise eines US-Präsidenten in den Nahen Osten liegt fünf Jahre zurück. Donald Trump besuchte 2017 Israel und sorgte in einem Teil der Region für Empörung, als er die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen liess. Biden seinerseits hat im Wahlkampf versprochen, sich in Saudi-Arabien für Menschenrechte einzusetzen und das Atomabkommen mit Iran – dem Erzfeind Israels – wiederzubeleben. Von all den Versprechen hat die Wählerschaft noch nichts gesehen.
Saudi-Arabien wieder hoch im Kurs: Dass Biden den saudischen Kronprinzen – den mutmasslichen Auftraggeber des Mordes am Journalisten der «Washington Post» – treffen will, sorgt auch für Unverständnis. Im Wahlkampf hatte Biden gesagt, die Saudis künftig als Aussenseiter auf der Weltbühne zu behandeln. Bidens beredtes Schweigen zu den ungemütlichen Themen enttäuscht viele Demokraten. In Saudi-Arabien sucht Biden nun aber einen Erfolg auf aussenpolitischem Parkett.
Biden steht unter grossen Druck.
Biden will einerseits den Öl-Nachschub in die USA sichern und andererseits für mehr Preisstabilität sorgen. Er will dafür ein Versprechen von den Saudis einholen: Sie sollen immer dann mehr Öl fördern, wenn die Preise hoch sind. So soll das weltweite Angebot steigen und die Preise sollen wieder sinken. Allerdings ist unklar, ob Saudi-Arabien die Ölförderung kurzfristig überhaupt steigern kann.
Atom-Deal mit Iran wohl aussichtslos: Ein weiterer Plan des US-Präsidenten ist, das Atomabkommen mit Iran wiederzubeleben. Teheran hält sich allerdings schon lange nicht mehr daran und hat seine Uran-Anreicherung kürzlich weiter ausgebaut. Auch Saudi-Arabien und Israel zeigen wenig Bereitschaft für eine Neuauflage des Abkommens. «Das weiss auch Biden», erklärt USA-Korrespondentin Delgado. «Er schlägt daher eine gemeinsame Allianz gegen Iran vor. Dabei geht es um eine sicherheitsstrategische Zusammenarbeit bei der Radarüberwachung und der Raketenabwehr.»
Geste gegenüber Israel: Mit Blick auf seine Politik gegenüber Israel hat sich Biden bisher kaum in die Karten blicken lassen. «Dass er aber zunächst einige Tage in Israel verbringt, bevor er nach Saudi-Arabien weiterreist, setzt schon einmal ein klares Zeichen», sagt Delgado. Barack Obama, unter dem Biden als Vizepräsident amtete, stiess Israel einst vor den Kopf: Er besuchte den traditionellen Verbündeten der USA während seiner ersten Amtszeit nicht – Saudi-Arabien hingegen schon. «Das war auch für viele Jüdinnen und Juden in den USA ein Affront», sagt Delgado. Einen solchen diplomatischen Fauxpas wolle Biden nun tunlichst vermeiden.