Donald Trump steht vor Stacheldraht im Grenzort Eagle Pass in Texas und spricht von «Krieg», der hier herrsche. Knapp 500 Kilometer entfernt steht Joe Biden in Brownsville vor Grenzwächtern und lädt Trump ein, mit ihm zusammenzuarbeiten. Trump ruft: «Das ist eine Joe-Biden-Invasion.» Biden erwidert, Trump solle aufhören, «den Abgeordneten zu sagen, dass sie das neue Grenzgesetz blockieren sollen.» Stattdessen solle er es mit ihm zusammen durch den Kongress bringen.
Es ist ein Spektakel, wie es die an Spektakel gewohnten USA so noch nicht gesehen haben: der Präsident und sein grösster Gegenspieler gleichzeitig am explosivsten Ort amerikanischer Innenpolitik, an der Grenze zu Mexiko.
Trumps perfides Spiel
Vor wenigen Wochen brachte Trumps Einfluss im Kongress einen Gesetzesentwurf zum Scheitern. Republikaner und Demokraten hatten diesen Entwurf im Senat zuvor gemeinsam ausgearbeitet. Die Demokraten, und der republikanische Senator, der den Kompromiss mit ihnen ausgehandelt hatte, schäumten. Biden stand als Präsident ohne Handlungsmacht da.
Gleichzeitig wurde deutlich, was für ein Ziel Trump wirklich verfolgt. Der düpierte Verhandlungsführer der Republikaner, James Lankford, sagte nach dem Scheitern seiner Vorlage diesen einen Satz, der so viel aussagt über den Zustand der US-Politik: «Ein populärer Kommentator sagte mir rundheraus: wenn du versuchst, einen Gesetzesvorschlag einzubringen, der die Krise an der Grenze löst, werde ich alles tun, um dich zu zerstören. Weil ich nicht will, dass du das während des Wahljahres löst!» Wohlgemerkt: Lankford ist Republikaner.
Bidens späte Reaktion
Doch auch Biden ist nicht unschuldig daran, dass sie in den USA gerade so hässlich über das Thema Einwanderung streiten. Erst einmal war er als Präsident vor dem gestrigen Besuch an der Grenze gewesen. Zu wenig für eine hochakute Krise.
Und aus innerparteilichen Gründen suchte auch Biden bislang kaum nach Lösungen. Im letzten Wahlkampf hatte er versprochen, das Grenzregime des damaligen Präsidenten Trump zu beenden. Jetzt wirft er den Republikanern vor, seine Bemühungen um ein härteres Grenzschutzgesetz zu blockieren.
Einwanderung das grösste Problem
Biden muss beim Thema Einwanderung Rücksicht nehmen auf den progressiven Flügel in seiner Partei. Manche dieser Abgeordneten lehnen mehr oder weniger jegliche Restriktionen ab.
Gleichzeitig hat sich die Haltung der Amerikanerinnen und Amerikaner zur Einwanderung deutlich verschlechtert. In einer Gallup-Umfrage bezeichnete Anfang Woche eine Mehrheit der Befragten Immigration als das grösste Problem der USA. Damit wird das Thema auch zum grössten inhaltlichen Problem für Joe Biden. Donald Trump weiss das.