Nach dem Schulmassaker von Parkland, Florida, zeigen sich jugendliche Überlebende entschlossen, an den laxen Waffengesetzen in den USA etwas zu ändern. In verschiedenen Städten sind Grossdemonstrationen geplant unter dem Motto «Marsch für unser Leben». Unterstützung, auch finanzielle, erhalten sie von prominenten Hollywood-Stars. Diesmal könnte gelingen, was bisher nach jedem Amoklauf in den USA wieder gescheitert ist. Isabelle Jacobi schildert im Gespräch, was sich geändert hat.
Die Wut auf die untätigen Politiker ist gross, nicht nur in Florida, an Schulen im ganzen Land.
SRF News: Nach jedem schrecklichen Vorfall gibt es eine Diskussion und Proteste – und am Schluss ändert sich nichts. Warum sollte das diesmal anders sein?
Die Schülerinnen und Schüler von Parkland sind anders. Als 16-, 17-Jährige sind sie älter als die Opfer früherer Schulmassaker. Sie sind enorm artikuliert und wissen, wie man in sozialen Medien mobilisiert. Innerhalb einer Woche haben sie eine Bürgerbewegung auf die Beine gestellt. Heute marschieren sie in Florida auf, im März dann in Washington.
Die Wut auf die untätigen Politiker ist gross, nicht nur in Florida, an Schulen im ganzen Land. Sie sind vor allem wütend über die Politiker, die Spenden von der Waffenlobby angenommen haben, wie Donald Trump. Die Waffenorganisation NRA unterstützte seinen Wahlkampf mit 30 Millionen Dollar. Das wissen die Kids, und sie sagen es laut.
Die Waffenlobby ist gut organisiert und vor allem gut alimentiert. Was können ihr die jungen Aktivisten entgegenhalten?
Mit ihren authentischen Stimmen können sie die Öffentlichkeit mobilisieren, was im Moment besondere Wirkung entfalten könnte, da die öffentliche Meinung zum Waffenrecht derzeit ohnehin umschwenkt. Neuste Umfragen zeigen, dass zwei Drittel der Befragten strengere Waffengesetze befürworten. Fast 60 Prozent denken, dass solche Gesetze den Amoklauf in Parkland hätte verhindern können. Das ist ein deutlicher Umschwung in Richtung strengere Waffengesetze. Zudem ist Wahljahr: Die Kongresswahlen stehen an, und die Politiker reagieren auf die öffentliche Meinung empfindlicher als sonst.
Nach jedem Schulmassaker kochen Forderungen nach einem schärferen Waffenrecht hoch. Doch die Waffenlobbyisten hatten am Ende den längeren Atem.
Das ist so. Die NRA weiss aber auch, dass sich die öffentliche Meinung am verändern ist. Sie hat sich zu Zugeständnissen bereit erklärt, etwa in puncto Altersgrenze beim Kauf halbautomatischer Waffen. Neu soll man diese erst ab 21 Jahren kaufen dürfen, statt schon mit 18.
Mit solchen minimalen Zugeständnissen schützt die NRA aber ihre wirklichen Prioritäten. Sie will beispielsweise, dass halbautomatische Waffen nach wie vor erlaubt bleiben und Gesetze, die das versteckte Tragen von Waffen in bestimmten Gliedstaaten, national gelten.
US-Präsident Donald Trump hat beim Justizministerium überraschend ein Verbot von Schnellfeuerkolben angefordert. Woher dieser Meinungsumschwung?
Ein wirklicher Meinungsumschwung ist das nicht. Trump folgt damit dem Skript der NRA. Auch sie hatte sich zu dieser Verschärfung im Waffenrecht nach dem Blutbad in Las Vegas bereit erklärt. Interessant wird sein, ob Trump und die Republikaner im Kongress versuchen werden, ein allfälliges Verbot von Schnellfeuerkolben mit den anderen Wünschen der NRA zu kombinieren. Das wird ein Gradmesser für den Einfluss der Waffenlobby im Kongress sein.
Könnte ein Verbot von Schnellfeuerkolben Schulmassaker verhindern?
Nein, sicher nicht. Schon ein halbautomatisches Sturmgewehr kann eine wüste Verheerung anrichten. In Parkland benutzte der Täter beispielsweise keinen Schnellfeuerkolben. Beim Blutbad von Las Vegas wäre die Opferzahl mit einem solchen Verbot aber wahrscheinlich kleiner ausgefallen.
Aber man kann davon ausgehen, dass die Republikaner im Kongress vor allem Änderungen im Waffenrecht unterstützen werden, die für die Waffenlobby möglichst schmerzlos sein werden – ihr also keine grossen Umsatzeinbrüche bescheren.
Welche Massnahmen sind im US-Kongress sonst noch geplant?
Thema sind dort verbesserte Hintergrund-Checks bei Waffenkäufen. Zudem gibt es grosse Lücken bei der Erhebung von Risikogruppen. Unter Präsident Trump sind sich noch grösser geworden. Vielleicht wird der Kongress da die Schraube wieder etwas anziehen. Aber man kann davon ausgehen, dass die Republikaner im Kongress vor allem Änderungen im Waffenrecht unterstützen werden, die für die Waffenlobby möglichst schmerzlos sein werden – ihr also keine grossen Umsatzeinbrüche bescheren.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.