- Ein «komplettes Versagen», so bezeichnete Martin Naville, CEO der Schweiz-Amerikanischen Handelskammer die diesjährigen Umfragen in der SRF-Sondersendung zu den US-Wahlen.
- Eine These besagt, dass die Wähler in den Umfragen schlicht Scheu davor hatten, sich als Trump-Wähler erkennen zu geben.
Laut der grossen nationalen Befragung der US-amerikanischen Nachrichtenwebsite FiveThirtyEight hatte der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden am 1. November einen erstaunlichen Vorsprung von 8.4 Prozentpunkten.
Die Realität sah dann am Wahltag ganz anders aus, als die Ergebnisse aus Florida einen knappen Sieg für Trump zeigten. Der Konsens der FiveThirtyEight-Umfragen im Bundesstaat Florida hatten darauf hingedeutet, dass Biden dort – wie auch im Rest des Landes – einen Sieg einfahren würde.
Nicht immer ehrliche Antworten
Eine andere Umfrage lag diesmal – wie auch 2016 – näher am tatsächlichen Ergebnis: Laut der Rasmussen-Umfrage sollte Donald Trump den Sunshine State mit einem Punkt Vorsprung gewinnen. Das Meinungs-Institut Rasmussen hatte auch die Umfrage geliefert, die das Ergebnis der Wahl 2016 am ehesten vorhersagen konnte. Das Geheimnis der Umfrage? «Seien Sie unsozial». Statt menschliche Meinungsforscher für die Befragung einzusetzen, verwendete Rasmussen eine vorher aufgenommene Stimme.
Warum? Der Mensch ist ein soziales Tier, und das gilt sowohl für die Beantwortung einer Telefonumfrage als auch für das Streiten auf Twitter. In einem Amerika, in dem Trump-Anhänger routinemässig als «rassistisch» (oder schlimmer) bezeichnet werden, ist es keine Überraschung, dass viele von ihnen es vorziehen, ihre politischen Neigungen für sich zu behalten.
Ich kann mir vorstellen, dass in diesen Umfragen einmal mehr eine schöne Zahl von Trump-Wählerinnen und -Wählern, das nicht so kommuniziert haben.
Dem stimmt auch Wirtschaftsprofessor Alfred Mettler von der Universität Miami zu. Laut ihm sind zudem die Vororte, die sogenannten «Suburbs» der USA zum Zünglein an der Waage geworden. Dort könnten die Umfragen der letzten Wochen falsch gelegen haben, so Mettler. «Ich könnte mir vorstellen, dass in diesen Umfragen einmal mehr eine schöne Zahl von Trump-Wählerinnen und -Wählern, das nicht so kommuniziert haben.» Sie hätten entweder nichts gesagt oder sich sogar für Biden ausgesprochen, obwohl das nicht stimme. Dies, weil man bissige Kommentare befürchtete.
Unwahrscheinlich heisst nicht unmöglich
Dass die Umfragen von FiveThirtyEight jedoch komplett versagt haben, stimmt so nicht. Die Statistiker der renommierten Webseite, die sich auf die Schwerpunkte Statistik und Datenjournalismus spezialisiert hat, hatten Trump vor der Wahl zwar nur eine Chance von zehn Prozent auf einen Sieg ausgerechnet.
Sie hatten aber zugleich gemahnt: «Denken Sie daran, dass eine zehnprozentige Gewinnchance keine nullprozentige Chance ist. Sie ist ungefähr so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Innenstadt von Los Angeles regnet. Und, ja, es regnet dort tatsächlich.»