Worum geht es: Das erste von zwei Fernsehduellen der US-Präsidentschaftsanwärter hat für Joe Biden nicht gut geendet. Er verhaspelte sich, machte wirre Sätze und sprach mit zeitweise schwacher und zittriger Stimme. Joe Biden zeigte der Welt, wie stark er gealtert ist in den letzten vier Jahren. Eigentlich nichts Ungewöhnliches für Menschen in seinem Alter, aber ein No-Go für den Leader der Supermacht USA. Donald Trump gab sich staatsmännischer, auch wenn er Sachthemen gerne umschiffte und vor allem betonte, wie erfolgreich und beliebt er als US-Präsident gewesen sei. Politexperten beider Parteien sind sich einig: Bidens Zeit ist abgelaufen.
Reaktionen auf Joe Biden: David Axelrod, Wahlkampfmanager von Barack Obama, beschreibt beim US-Fernsehsender CNN sein «Gefühl von Schock». Biden habe desorientiert gewirkt, im Laufe der Debatte sei er etwas besser geworden. Eine tiefe, breite und sehr aggressive Panik habe die demokratische Partei ergriffen, erklärte der renommierte Politjournalist John King. Für den republikanischen Politexperten Mike Murphy wäre es selbstsüchtig, wenn Biden an seiner Kandidatur festhielte. Auf X mutmasst er, dass diese Debatte den grössten Fehler in der Geschichte der Präsidentschaftspolitik darstellt. Interessant: Einigen der bekanntesten Politstrategen der USA fehlen offenbar die Worte. Sie verzichteten bisher auf Kommentare.
Reaktionen auf Donald Trump: Es sei Donald Trump, der fit gewirkt und mit fester Stimme zwar viel schwadroniert und falsch behauptet habe, dies aber energisch und kraftvoll. So tönt die politische Beurteilung in der Zeitschrift «Vanity Fair». Trump habe Biden haushoch besiegt. Der demokratische Stratege David Axelrod lässt hingegen auch an Donald Trump kein gutes Haar. Dieser habe sein altes Muster wiederholt: Böse Worte austeilen und über seine eigene Bilanz als Präsident prahlen. Trump sei zutiefst verletzlich, aber möglicherweise nicht in der Lage, daraus einen Vorteil zu ziehen.
Ausblick Biden: Ein anonymer Topspender von Joe Biden gab den Tarif klar durch, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet: Joe Biden müsse ausgewechselt werden, das sei unvermeidlich. Und er schlug gleich mögliche neue Kandidaten vor: Gretchen Whitmer, Gouverneurin von Michigan sowie ihre Kollegen von Illinois, Kentucky und Kalifornien; das sind J.B. Pritzker, Andy Beshear und Gavin Newsom. Konservative politische Strateginnen wie die frühere Trump-Beraterin Kellyanne Conway sind überzeugt, dass die für September angesetzte zweite Fernsehdebatte nicht durchgeführt wird. Sie spricht bei Fox News zudem der Vizepräsidentin Kamala Harris jegliche Eignung ab, Biden zu ersetzen. Harris habe 20 Mitarbeiter geschlissen, die Leute hätten Angst vor ihr.
Ausblick Trump: Der frühere Präsident geht gestärkt aus dem Fernsehduell hervor. Gemäss Politanalystin Amy Walter hat er die Debatte zwar auch nicht gewonnen. Aber Trump könne weitermachen, wie er es gewohnt sei, denn er liege in den Umfragen seit längerem vorne. Politikberater Mark McKinnon arbeitete für George W. Bush. Für ihn könnte das erste TV-Duell zwischen Biden und Trump das folgenreichste der Geschichte sein: «Weil die Demokratie auf dem Spiel steht.»