Amy Walter ist eine der bekanntesten Politanalystinnen der USA. Sie gibt den «Cook Political Report» heraus, der in beiden politischen Lagern geschätzt und beachtet wird. Sie sagt: «Erst jetzt macht es langsam Sinn, Vorhersagen zum Wahlausgang zu machen. Denn erst im Oktober beginnen auch politisch wenig Interessierte, sich mit den Wahlen zu beschäftigen.»
Nur noch rund acht Prozent haben noch nicht entschieden, wen sie wählen werden.
Amy Walter vergleicht die Situation mit der Meisterschaft im American Football. Sie selbst verfolge die Football-Saison zuerst kaum, aber ab den Playoffs beginne auch sie sich zu interessieren, weil Football dann zum alles beherrschenden Gesprächsthema werde.
Und so funktioniere auch diese Gruppe von Wählerinnen und Wählern: «Es ist nicht so, dass sie sich überhaupt nicht für Politik interessieren. Aber Politik ist ihnen nicht so wichtig, dass sie sich täglich damit befassen würden.»
Überdurchschnittlich häufig gehörten diese spät Wählenden zu den sogenannten Unabhängigen, haben sich also weder als Demokraten noch als Republikaner registrieren lassen. Insgesamt hat Amy Walter errechnet, dass sich derzeit nur noch rund acht Prozent noch nicht entschieden haben, wen sie wählen.
Ausschlaggebend für diese Wählerinnen und Wähler sei, welche Wahlkampfthemen in den kommenden Wochen die öffentliche Debatte prägten: «Wird mehr über Donald Trump geredet, über sein Temperament und sein Verhalten? Dann nützt das Kamala Harris. Wenn aber Themen wie Inflation, gestiegene Preise oder die Migrationskrise den Wahlkampf dominieren, ist Donald Trump im Vorteil.»
«Einzelne Umfragen mit Vorsicht zu geniessen»
Waren die vielen Umfragen, die in den letzten Monaten veröffentlicht wurden, also ohne Aussagekraft? Amy Walter differenziert: Einzelne Umfragen seien mit grosser Vorsicht zu betrachten, denn deren Resultate lägen meist innerhalb der Fehlerquote.
Deshalb sei es möglich, dass am selben Tag eine Umfrage Trump vorne sehe, eine andere aber Harris. Interessant seien hingegen die Trends, die sich über einen längeren Zeitraum aus den unterschiedlichen Umfragen ablesen liessen.
Ihr Mitarbeiter David Wasserman macht ein Beispiel: Kamala Harris hat in den letzten Wochen bei bestimmten Wählergruppen Boden gut gemacht. Sie konnte bei schwarzen Wählerinnen und Wählern, den Latinos und den unter-30-Jährigen zulegen. Bei diesen Wählergruppen genoss Joe Biden bis zu seinem Rückzug im Juli viel weniger Unterstützung als noch vor vier Jahren.
Das bedeutet laut Wassermann, dass das Rennen nun auch in den wichtigen sogenannten «Sun Belt»-Staaten Georgia, Nevada und Arizona wieder offen ist: «Bevor Harris die demokratische Kandidatin wurde, lag Trump in diesen Staaten meist mehr als fünf Prozentpunkte vor Biden.»
Umfragen zeigen nur eines: Rennen ist eng
Doch trotz erkennbarer Trends lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt der Wahlausgang nicht voraussagen. Wer gewinnen werde, will auch Amy Walter nicht sagen. Es sei nicht so, dass sie Frage ausweichen wolle, aber es hänge wirklich davon ab, welche Themen ab jetzt im Zentrum stünden. Die bisherigen Umfragen zeigen also nur eines deutlich: Das Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump ist eng.