In einem Monat wird in den USA ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt: der Republikaner Donald Trump oder die Demokratin Kamala Harris. Anders als in der Schweiz dominieren in den USA nur zwei Parteien. Doch in welcher Partei wären Harris und Trump, wenn sie in der Schweiz politisieren würden? Politologieprofessorin Isabelle Stadelmann-Steffen ordnet ein.
SRF News: In welcher Schweizer Partei wäre Kamala Harris?
Isabelle Stadelmann-Steffen: Man hört oft, sie sei eine linke Kandidatin. Sicher würde ich sie nicht so klar in der SP platzieren – oder auf jeden Fall nur bei einigen Fragen. In der Tendenz ist sie sicher näher in der Mitte als bei der SP. Doch das ist eine schwierige Frage, weil sich die Schweiz und die USA in vielen Bereichen unterscheiden.
Was ist der grosse politische Unterschied zwischen der Schweiz und den USA?
Es gibt einige, aber ich würde zwei ins Zentrum rücken. Das eine ist, dass es ein anderes Staatsverständnis gibt. Ob Demokraten oder Republikaner – beide Parteien wollen möglichst wenige Staatseingriffe. Die USA kennen zum Beispiel nur sehr wenige Sozialleistungen. Sie haben einen liberalen Wohlfahrtsstaat, während in der Schweiz der Staat insgesamt eine wichtigere Rolle zugesprochen bekommt.
Eine linke Partei wie die SP hätte in den USA eigentlich keine Chance.
Das zweite ist ein institutioneller Unterschied. In der Schweiz bildet eine Koalition die Regierung und wir haben viele Parteien. In den USA haben wir ein Zweiparteiensystem, geprägt durch ein Mehrheitswahlrecht. Das führt dazu, dass es immer zwei Parteien gibt, die irgendwo links und rechts von der Mitte sind. Eine linke Partei wie die SP hätte in den USA eigentlich keine Chance.
Sie haben es vorhin erwähnt: Harris gilt in den USA als links, aber sie passt nicht ins SP-Schema der Schweiz. Warum?
Man muss unterscheiden zwischen allgemeinen Einstellungen und Vorschlägen. In manchen Bereichen hat Harris eine linke Vorstellung und auch viele Vorschläge, die sie gemacht hat, sind ziemlich links – etwa im Bereich Klimaschutz oder im Umgang mit Immigrantinnen und Immigranten. Doch es gibt auch wichtige Unterschiede, zum Beispiel hat sie neben ihrem liberalen Verständnis eine starke Law-and-Order-Ausrichtung. Sie will die Polizei stärken und sie ist inzwischen auch für ziemlich strikte Kontrollen an den Grenzen.
Schauen wir die Positionen von Donald Trump an. Er kritisiert vor allem die Zuwanderung, was nach klassischer SVP-Politik klingt.
Migration und Immigration sind im Moment populäre Themen, die von vielen rechtskonservativen Parteien in der Schweiz, aber auch anderswo aufgenommen werden. Wenn man sich die Positionen der Republikanischen Partei genauer anschaut, würde ich die Partei je nach Themenbereich zwischen FDP und SVP platzieren. Im Bereich Immigration sicher eher bei der SVP.
Trump weicht durchaus von diesem Links-Rechts-Muster ab.
Aber man muss auch sagen, dass Trump in seiner Argumentation und in seinen Vorschlägen durchaus von diesem Links-Rechts-Muster abweicht und von vielen unterschiedlich eingeordnet wird. Einige Massnahmen sind klar konservativ, andere werden teilweise fast als links eingeordnet. Er ist ein bisschen «fuzzy» in seinen Vorschlägen und lebt vor allem von einer starken Ideologie. Dieses Populistische, das er prägnant aufwirft und Themen wie Immigration, Abtreibung und die Freiheit, Waffen zu tragen, sind Dinge, die er stark ins Zentrum stellt.
Inwiefern sehen Sie bei Trump FDP-Positionen?
In erster Linie natürlich in der Wirtschaftspolitik. Er hat diverse Steuern abgebaut, niedrigere Steuern sind eines seiner Lieblingsthemen. Auf der anderen Seite schlägt er eine sehr protektionistische Wirtschaftspolitik vor und hat auch versucht, diese in seiner Amtszeit umzusetzen. Das bringt ihn wieder weg von der FDP und steht auch in einem gewissen Gegensatz zum liberalen Verständnis, das er in anderen Bereichen propagiert.
Das Gespräch führte Nicole Roos.