Sun City, in der Nähe von Arizonas Hauptstadt Phoenix, besteht hauptsächlich aus einstöckigen Bungalows ohne Randsteine oder Treppen. Denn hier wohnen besonders viele Rentnerinnen und Rentner.
Viele von ihnen sind an diesem Morgen an den «Farmers Market» gekommen – einen Wochenmarkt, wo Vereine und lokale Verkäuferinnen, Selbstproduziertes anbieten.
So wie Cathy und Hope. Die beiden sitzen auf Plastikstühlen umringt von Schälchen und Vasen, hergestellt vom Töpferverein. Sie seien beste Freundinnen, aber politisch entgegengesetzter Meinung, sagt Hope. «Ich bin glücklich mit dem Wahlresultat, sie hingegen nicht.» Hope zählt darauf, dass die Wirtschaft nun anziehen wird und die Preise für Lebensmittel und Benzin sinken.
Ihre Freundin Cathy hingegen ist enttäuscht: «Trump ist ein grosser Lügner und gefährlich. Vor allem für Frauen wird es nicht leicht mit ihm.» Das ist die grösste Sorge aller derjenigen hier auf dem Markt, die Kamala Harris unterstüzt hatten.
Ich bin verzweifelt und deprimiert. Ich weiss nicht, ob meine Töchter die gleichen Rechte haben werden, wie ich.
Jordan, die ihre Tochter im Kinderwagen von Stand zu Stand schiebt, sagt, sie habe Angst. Sie mache sich Sorgen um Freunde und Familienmitglieder, die trans- oder homosexuell seien – und auch um die Zukunft ihrer Tochter.
Ähnlich geht es Sheryl, die ihren Hund mitgebracht hat: «Ich bin verzweifelt und deprimiert. Ich weiss nicht, ob meine Töchter die gleichen Rechte haben werden, wie ich.»
Positiver sieht es die 70-jährige Gwen, eine schwarze Harris-Wählerin: «Ich glaube immer noch an mein Land und die Demokratie. Wir hatten schon viele schlechte Präsidenten, das ist kein Grund, die Hoffnung aufzugeben.»
Anders gestimmt hat Tracy, die mit ihrer Mutter Bananenbrot verkauft. Auch sie ist schwarz, aber sie findet Trump sei der Richtige, um die Probleme des Landes zu lösen. Etwa müssten sich die USA aus fremden Kriegen zurückziehen: «Wir hier werden ausgequetscht auf den letzten Tropfen, um die Privilegien anderer zu finanzieren.»
Tracy ist nicht die einzige Angehörige einer Minderheit, die sich freut über Trumps Wahl. Auch Samia, die hier syrische Spezialitäten verkauft, hat für ihn gestimmt. Trump werde schlechte Leute fernhalten von den USA und Kriege beenden, übersetzt Samias Sohn für sie.
Massenweise ausgeschafft wird auch niemand.
Bei den Wahlen haben auch besonders viele junge Latinos Trump unterstützt. Einer von ihnen ist Arturo, der hier Honig verkauft und als Kind aus Mexico eingewandert ist.
Dass Trump die Grenzen besser kontrollieren wolle, sei gut, sagt er: «Massenweise ausgeschafft wird auch niemand», glaubt Arturo. Denn wer hierhergekommen sei, werde von den Gesetzen beschützt.
Es seien die Sorgen um die Einwanderung und die hohen Preise, die alle zusammengebracht hätten, sagt Ken, der Marmelade verkauft, die seine Frau gemacht hat. Da habe es auch keine Rolle gespielt, dass Trump verurteilt worden sei: «Das war alles nur erfunden und politisch motiviert von den Demokraten, um Trump aufzuhalten.»
Ken und die anderen Trump-Wähler erwarten jetzt, dass alles besser werde. Doch was ist, wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllt? Hope, die ältere Frau beim Töpfertisch sagt, sollte Trump seine Versprechen nicht halten, werde sie ihm einen wüsten Brief schreiben.
Und wie gehts es weiter mit solch entgegengesetzten Sichtweisen in der gleichen Nachbarschaft, in Familien, in Freundschaften?
Das gehe schon, sagt Hopes Freundin Cathy: «Wir sind uns einig darin, uns nicht einig zu sein.»