Kann man den Umfragen trauen? Die Meinungen in Savannah im umkämpften Bundesstaat Georgia gehen auseinander. Plattenverkäufer Cliff Bryant hält sie für korrekt. «Was ich von Leuten höre, könnten die Umfragen diesmal stimmen.»
Chelsea, Büroimmobilien-Maklerin, aus Florida, traut hingegen weder Medien noch Umfragen: «Alles kann verzerrt werden.» Auch Student Matt Prudenti hält sie nicht für verlässlich. «2016 und 2020 lag Trump nicht in Führung in Umfragen, doch dann gab es grosse Überraschungen.»
Hillary Clinton werde höchstwahrscheinlich gewinnen, das sagten 2016 mehrere Experten voraus – und doch gewann Donald Trump. Vier Jahre später gewann Joe Biden gegen Trump, aber knapper als erwartet.
Lee Miringoff vom renommierten Umfrageinstitut Marist relativiert: Wer die qualitativ hochstehenden Umfragen kurz vor der Wahl angeschaut habe, habe gesehen, wie Clintons Umfragewerte eingebrochen waren. «Der Zeitpunkt ist sehr wichtig. Bei Hillary Clinton waren viele Umfragen gemacht worden, bevor wichtige Ereignisse geschahen, die möglicherweise das Resultat geändert haben.» Damals hätten sich viele unentschlossene Wählerinnen und Wähler am Schluss für Trump entschieden.
Umfragen sind nur Momentaufnahmen. Manche sind von Parteien finanziert oder qualitativ nicht gut genug. Oft hört Miringoff den Verdacht, dass Befragte nicht zugeben wollten, für Trump zu stimmen. Dafür gebe es allerdings keine Hinweise. Allerdings ist es eine Herausforderung, alle Bevölkerungsgruppen in Umfragen zu erreichen. Gemäss Miringoff haben die meisten Umfrageinstitute die Methoden seit 2016 insofern angepasst, als sie nicht mehr nur über Telefonanrufe arbeiten, sondern auch andere Kommunikationswege benutzen.
Knappes Rennen – und es bleibt spannend
Und was liest er aus den aktuellen Umfragen? «Die meisten renommierten Umfrageinstitute singen das gleiche Lied. Die Wahl wird knapp. Statistisch ist das im Fehlerbereich. Wird das am Wahltag immer noch so sein? Das ist das grosse Fragezeichen. Denn der Wahlkampf geht weiter, und beide Kandidierenden versuchen, die Wahlbeteiligung zu beeinflussen.»
Mobilisieren ist jetzt wichtiger als überzeugen
Die Umfragen sind seit Wochen recht stabil. Gemäss Miringoff gibt es kaum noch Unentschlossene. «Man kann sie an einer Hand abzählen. Vielleicht sind es zwei Prozent.» Deshalb ist nun entscheidend, wer seine Anhängerschaft besser mobilisieren kann. «Als Wahlkampfstratege heisst das, man wird nicht mehr darauf fokussieren, Leute zu überzeugen. Sondern die eigene Anhängerschaft in Scharen an die Urnen zu bringen.»
Trump siegte 2016 dank einer unerwartet starken Mobilisierung von Menschen, die sonst kaum je an die Urne gingen. Biden wiederum profitierte 2020 von einer ausserordentlich hohen Wahlbeteiligung von Jungen. Und so kämpfen sowohl Harris als auch Trump im Schlussspurt darum, dass möglichst viele Menschen, auch die weniger Politikinteressierten, für sie an die Urne gehen.