Kamala Harris hat gewählt: Ihr Vizepräsidentschaftskandidat ist Tim Walz, Gouverneur von Minnesota. Damit gewichtet Harris die Balance des Wahltickets und den innerparteilichen Ausgleich stärker als die Wahlstimmen, die Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro gebracht hätte.
Weniger politischen Ballast
Tim Walz ist national weniger bekannt als sein zuletzt einziger verbliebener Gegner Shapiro. Und er bringt im Gegensatz zu diesem keinen entscheidenden Bundesstaat mit. Shapiro hatte vor knapp zwei Jahren die Gouverneurswahl von Pennsylvania mit fast 15 Prozent Vorsprung gewonnen, seine Zustimmungswerte sind bis heute historisch hoch. Das hätte Kamala Harris aller politischer Wahrscheinlichkeit nach diesen entscheidenden Swingstate gesichert.
Doch Shapiro brachte auch politischen Ballast mit, der schon während Harris’ Auswahlverfahren für (innerparteilichen) Streit sorgte. Shapiro hatte es sich als Gouverneur mit der in der Demokratischen Partei mächtigen Lehrergewerkschaft verdorben. Ausserdem sorgte seine Haltung zu Israel und den pro-palästinensischen Protesten an amerikanischen Universitäten für teilweise heftige Kritik. Am Ende entschied sich Harris gegen Shapiro und die Kontroverse – und mit Walz für den Ausgleich.
Walz nennt Trump «weird»
Tim Walz ist ein begnadeter Kommunikator. Einem nationalen Publikum wurde er ein Begriff, als er Donald Trump und dessen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance «weird» nannte – also «seltsam» oder auch «sonderbar». Damit fand der gemütlich wirkende, hemdsärmelige Mitte-Demokrat aus dem Midwest die Formel, um Trump beizukommen.
Denn nichts hasst dieser mehr, als nicht ganz ernst genommen zu werden. Und denjenigen Amerikanerinnen und Amerikanern, die Trump einst zwar unterstützt haben, zuletzt aber vermehrt von Zweifeln beschlichen wurden, macht es Walz mit seinem «weird» einfacher, eine Brücke zu etwas Neuem zu finden, als es die apokalyptischen Untergangsszenarien vieler Demokraten tun.
Ausgleich zu Harris
Der weisse Tim Walz, der älter wirkt als er mit seinen 60 Jahren ist, und der das Jackett auch mal zu Hause lässt, wird mit seiner Art auch einen Ausgleich schaffen zur geschliffenen, häufig ein wenig distanziert wirkenden Immigrantentochter aus Kalifornien. Walz soll für Harris jene Wählerinnen und Wähler im sogenannten «Rostgürtel» gewinnen, die vor vier Jahren Biden zurück ins Weisse Haus getragen haben.
Walz ist aber nicht nur der hemdsärmelige, nette Onkel-Typ. Als Gouverneur setzte er in Minnesota eine deutlich progressive Politik durch, was ihm schon im Mai einen lobenden Kommentar von Barack Obama einbrachte. Damit taugt Walz nicht nur zum Brückenbauer zur Bevölkerung in der ländlichen Mitte, sondern auch innerhalb der nur an der Oberfläche einigen Demokratischen Partei.