Vor vier Jahren retteten die Wählerinnen und Wähler in South Carolina Joe Bidens damals schwächelnde Kampagne. Biden gewann die Wahlen damals auch, weil viele afroamerikanische und junge Wählerinnen und Wähler für ihn stimmten.
Heute, vier Jahre später, zeugen viele Umfragen von gewachsener Skepsis in genau dieser Wählerschaft. Deshalb hoffte Biden, dass ein Vorwahlsieg in den afroamerikanischen Gemeinden von South Carolina ein starkes Signal in die ganzen USA aussendet.
Wenig Begeisterung
Den Wahlsieg hat er bekommen. Die erhoffte Wahlbeteiligung allerdings nicht. Und das zeigt das Problem von Biden. Die Wirtschaft der USA wächst zwar, und das so rasant wie in keiner anderen grossen Industrienation. Die Inflation sinkt, die Löhne steigen, die Arbeitslosigkeit ist so tief wie nie zuvor.
Statt der befürchteten Rezession schafften die USA das, was sie hier eine «sanfte Landung» nennen. Aber bei den Amerikanerinnen und Amerikanern ist das noch nicht richtig angekommen. Dabei zieht Biden Woche für Woche wahlkämpfend durch die Lande, um für «Bidenomics», sein Wirtschaftsprogramm, zu werben.
«Angrynomics» ist stärker als «Bidenomics»
Der Politologe Mark Blyth hat dafür eine so einleuchtende wie einfache Erklärung. Blyth schrieb das Buch «Angrynomics», und genau darum geht es: um die Wut, den Zorn, den Ärger, der viele in den USA (und weltweit) erfasst zu haben scheint: «Wir wissen, dass die Globalisierung der amerikanischen Arbeiterklasse zugesetzt hat.»
Blyth lehrt an der renommierten Elite-Universität «Brown University» in Rhode Island. «Bei Bidens Inflationsbekämpfung, seinen Umweltreformen und all seinen anderen Ideen geht es letztlich um einen neuen Pakt mit der Arbeiterklasse. Der 81-jährige Biden kann das den Leuten aber offensichtlich nicht erklären.»
Wenn sie am unteren Ende der Einkommensverteilung sind, dann verdienen sie trotz der deutlichen Lohnsteigerung immer noch weniger als davor.
Wut, sagt Blyth, sei etwas, das wächst. Und wenn sie einmal gewachsen sei, sei sie nur schwer wieder zu besänftigen. «Nehmen wir die Inflation: Das mittlere Haushaltseinkommen in den USA hat erst vor zwei, drei Wochen wieder den Stand von vor der Coronapandemie erreicht. Wenn sie nun am unteren Ende der Einkommensverteilung sind, dann verdienen sie trotz der deutlichen Lohnsteigerung, von denen Biden immer spricht, immer noch weniger als davor.»
Überhastete Pläne
In Bidens Team hofft man, dass sich das ändert, bevor am 5. November dann tatsächlich die Wahlen anstehen. Und die Regierung hat ja auch tatsächlich viel angestossen. «Natürlich hätte sich Biden gewünscht, seine Gesetze schneller durch den Kongress zu bringen.» Mark Blyth schüttelt den Kopf: «Aber es ist selbst dann nicht so einfach.»
Denn nicht alle Pläne seien wirklich durchdacht gewesen: «In Kansas zum Beispiel haben sie schon den Grundstein gelegt für eine neue Batteriefabrik. Erst danach haben sie sich gefragt: und wo bekommen wir all die Fachkräfte her, die hier arbeiten sollen? Man muss diese Dinge wirklich zu Ende denken, bevor man mit Bauen beginnt.» Sonst hilft auch ein Vorwahlsieg in South Carolina nichts.