Der langjährige Anwalt von Trump Michael Cohen hat vor einem Gericht zugegeben, den Kongress zu den Russland-Ermittlungen angelogen zu haben. Dabei geht es um ein geplantes Trump-Hochhaus in Moskau – dieses Projekt soll 2016 auch dann noch weiterverfolgt worden sein, als Trump bereits Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei war.
SRF News: Die gestrige Entwicklung sei die wohl bisher brisanteste in der ganzen bisherigen Sonderermittlung Mueller, schreibt CNN. Teilen Sie diese Einschätzung?
Isabelle Jacobi: Sicher. Schon nur, weil es seit längerem das erste ist, das man vom Sonderermittler direkt vernimmt. Michael Cohen wird damit offiziell zum Zeugen der Sonderermittlung, bisher war er bloss im Visier der New Yorker Justiz. Und nun gesteht er, dass er länger als bisher behauptet versucht hat, als Anwalt des Trump-Unternehmens einen Liegenschaftshandel mit Moskau abzuschliessen. Und Cohen sagt, er habe seine Bemühungen mit dem Trump-Unternehmen koordiniert.
Was bedeuten die neusten Aussagen des ehemaligen Trump-Anwalts Cohen?
Sie zeigen, dass das russische Abenteuer der Firma Trump erst im Juni 2016 gestoppt wurde – abrupt, kurz bevor Donald Trump zum Präsidentschaftskandidat der Republikaner gekürt wurde. Und das zeigt, wie unscharf die Trennlinien zwischen dem Geschäftsmann und dem Politiker Trump lange waren. Und ein paar Monate lang lief das Geschäft mit Moskau parallel mit den russischen Bemühungen, die US-Wahlen zu beeinflussen. Die ehemaligen russischen Geschäftsbeziehungen von Trump könnten auch eine Rolle als Motiv spielen für die Ermittlungen rund um die Einmischung der Russen in den US-Wahlkampf.
Trump hat erneut von einer Hexenjagd gesprochen. Er habe nichts Falsches gemacht. Der US-Präsident scheint sich ziemlich sicher zu sein?
Ja, und er konnte diese Woche zwei wichtige Erfolge verbuchen. Der Mueller-Ermittlung gehen nämlich nun zwei wichtige Zeugen abhanden. Paul Manafort, Trumps ehemaliger Wahlkampfleiter, hat laut Ermittlung falsch ausgesagt und hinter der Kulisse mit der Trump-Regierung weitergearbeitet. Er ist für die Ermittlungen kein tauglicher Zeuge mehr. Der zweite verlorene Zeuge ist Jerome Corsi. Er hat am Montag einen Deal mit den Ermittlern platzen lassen. Corsi soll als Mittelmann zwischen dem Trump-Lager und Wikileaks gedient haben. Er gab das laut Ermittlung zu Protokoll, doch nun dementiert er seine Aussage wieder.
Jerome Corsi – ein bisher unbekannter Name. Welche Rolle spielt die Enthüllungsplattform von Julian Assange in der Sonderermittlung?
Wikileaks publizierte die Daten, die der russische Geheimdienst mutmasslich vom Server der Demokraten gestohlen hatte, unter anderem die sogenannten Podesta-Emails. Wikileaks schadete damit direkt der Kandidatin Hillary Clinton. Die entscheidende Frage ist, inwiefern das Wahlkampfteam von Donald Trump davon wusste und direkt involviert war. Das wäre nach US-Recht ein schweres Vergehen.
Bei nachweisbaren Kooperationen mit Russland könnten die Ermittlungen zu einem Amtsenthebungsverfahren führen.
Und Jerome Corsi könnte laut Ermittlungen dieses Bindeglied sein. Der rechtsradikale Kommentator und Autor sagte nämlich aus, der Politberater Roger Stone habe ihn beauftragt, mit Assange Kontakt aufzunehmen, und dieser Stone wiederum war damals eng vernetzt mit dem Trump-Lager. Er verhalf etwa Paul Manafort zum Posten als Wahlkampfleiter von Donald Trump. Aber eben, der belastende Zeuge hat gerade seinen Deal mit der Ermittlung aufgekündigt.
Sie haben die Mueller-Ermittlungen mal mit einer Ermittlung in Mafia-Kreisen verglichen. Man packt sich die kleinen Nummern, zwingt diese zu kooperieren und arbeitet sich so ins Zentrum der Macht vor. Stimmt dieses Bild weiterhin?
Ja. Im Visier sind Nebenfiguren, zum Teil Schattenfiguren. Und es geht im Moment um Falschaussagen der Zeugen. Substantiellere Tatbestände müssten noch folgen – laut dem Gesetz der Logik, denn wenn die Ermittlung Falschaussagen geltend macht, sollte sie ja Hinweise auf die wirklichen Tatbestände haben. Und hier wird die Person von Roger Stone wahrscheinlich bald eine grössere Rolle spielen. Allenfalls auch der Sohn von Donald Trump, Donald J. Trump. Beide Figuren finden wiederholt Erwähnung in verschiedenen einsehbaren Dokumenten, wurden aber bisher offenbar nicht einvernommen.
Schafft es diese Sonderermittlung bis ins Zentrum der Macht?
Die Ermittlungen belasten den Präsidenten bisher nicht direkt. Trotzdem könnte seine Präsidentschaft starken Schaden erleiden, falls herauskäme, dass Personen aus seinem näheren Umfeld sich mit russischen Akteuren koordiniert hätten. Das würde die Legitimität seiner Wahl stark beeinträchtigen und könnte auch zu einem Amtsenthebungsverfahren führen, jetzt, da die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, ist das nicht mehr ausgeschlossen.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.