Trumps Weigerung, die Wahlniederlage einzugestehen, habe einen riesigen Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die amerikanische Demokratie zur Folge, sagt SRF-Korrespondentin Isabelle Jacobi – und völlig unabsehbare politische Kosten.
SRF News: Was geschieht derzeit in den USA?
Isabelle Jacobi: Die Situation ist bizarr. Präsident Donald Trump sitzt im Weissen Haus und lässt am Budget 2021 arbeiten – als ob nichts geschehen wäre. Zugleich tweetet er weiter, er werde ganz sicher siegen.
Es sind zwei Parallelwelten, die da existieren.
Derweil stellt Biden das Übergangsteam zusammen, die sogenannte Transition. Das ist ein Apparat aus Hunderten Leuten Bidens, die gewährleisten sollen, dass der Regierungswechsel glatt verläuft. Es sind also zwei Parallelwelten, die da in Washington und in Wilmington/Delaware existieren.
Bidens Team erhält bislang nicht einmal den dringend notwendigen Zugang zum Weissen Haus. Was läuft da?
Das Biden-Team versucht, sich auch ohne Zugang zu den Departementen auf die Regierungstätigkeit vorzubereiten, die mit der Amtseinführung des neuen Präsidenten am 20. Januar 2021 beginnt.
Zunächst geht es darum, Prioritäten zu setzen – im Fall von Biden sind das etwa die Bekämpfung der Corona-Pandemie, die Klimapolitik oder Obamacare. Daneben muss die Regierungsmannschaft im Umfang von etwa 4000 Posten aufgestellt werden. Davon müssen deren 1100 vom Senat bestätigt werden – eine Herkulesarbeit.
Die Landingteams haben keinen Zugang zum Weissen Haus, weil Trump seine Niederlage nicht eingesteht.
Blockiert sind auch die sogenannten Landeteams, quasi Stosstrupps der neuen Regierung, die in den wichtigen Departementen auf den aktuellen Stand gebracht werden sollten. Sie haben keinen Zugang zum Weissen Haus, weil Trump seine Wahlniederlage nicht eingesteht – etwas, das es in den USA noch nie gab.
Die Republikaner fechten die Wahl nun vor den Gerichten an. Wie ist da der Stand?
Die meisten Klagen richten sich gegen den Wahlprozess in den einzelnen Bundesstaaten, etwa gegen die Regeln der Briefwahl. Die Trump-Anwälte möchten, dass die Briefstimmen, die nach dem Wahltag eingetroffen sind, für ungültig erklärt werden. Zudem zielen einige Klagen auf regelrechten Wahlbetrug, etwa dass republikanische Wahlbeobachter keinen Zugang zum Wahllokal gehabt hätten. Diese Klagen haben sich bislang allerdings in Luft aufgelöst.
Trotzdem müssen sich alle Medien – nicht nur in den USA – damit befassen. Was bedeutet dieses Schlamassel, das da angerichtet wird, für die USA?
Manche Kommentatoren sprechen von den zwei gefährlichsten Monaten in der US-Geschichte, die da kommen. Tatsächlich ist es unheimlich, zu sehen, dass das Justizdepartement die lange geltende Regel verletzt, wonach sich die Bundesstrafverfolgung nicht einmischen darf, bevor das Wahlergebnis feststeht. Da werden Brandmauern eingerissen, die man besser stehen lassen sollte.
Es werden Brandmauern eingerissen, die man besser stehen lassen würde.
Das Gesamtbild ist beängstigend, wenn man zusätzlich sieht, wie die Pentagon-Spitze ausgewechselt und der Druck auf die Wahlbehörden erhöht wird. Es entsteht der Eindruck, dass die US-Demokratie am Faden einiger Personen und einer Handvoll Richterinnen und Richtern hängt.
Daneben gibt es beruhigende Stimmen, die argumentieren, es gehe um einen juristischen Prozess, der Regierungswechsel werde ganz regulär erfolgen. Auch wenn letzteres wohl am wahrscheinlichsten ist: Der Vertrauensverlust der Bürger in die Demokratie ist kolossal – auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Erst in der Zukunft wird sich zeigen, wie gross die Kosten dafür sind.
Das Gespräch führte Roger Aebli.