Jahrelang sprachen in Syrien einzig die Waffen, die Diplomatie spielte keine Rolle mehr. Doch nun beginnt in Genf nach zwei Jahren Funkstille ein neuer Anlauf für eine Lösung des Konflikts. Regierung und Opposition verhandeln über eine neue syrische Verfassung.
Um dem Versuch Gewicht zu verleihen, reisten zur Eröffnung der Gesprächsphase auch die Aussenminister Russlands, Irans und der Türkei an. Es sind dies jene Länder, mit dem grössten Einfluss in Syrien.
Erstmals direkte Gespräche
Es ist nicht der erste Versuch der Vereinten Nationen, die verfeindeten Lager im syrischen Bürgerkrieg zu versöhnen. Doch bisher war keiner erfolgreich. Vertreter von Regierung und Opposition hatten sich bislang geweigert, im selben Raum direkt miteinander zu sprechen.
Sie verhandelten stets nur über den UNO-Friedensvermittler. Drei von ihnen gaben deshalb bereits entnervt auf: Kofi Annan, Lakhdar Brahimi und Staffan de Mistura. Laut dem vierten, dem Norweger Geir Pedersen, soll es diesmal anders sein. Syrische Regierung und Opposition akzeptierten einander jetzt als Gesprächspartner. Ob sie auch in der Sache zu Kompromissen bereit sind, ist allerdings eine andere Frage.
Kurden bleiben aussen vor
Der wieder gestärkte Diktator Baschar al-Assad will nämlich am liebsten die alte, undemokratische Verfassung zur neuen machen und in seinem Land möglichst nichts ändern. Die Opposition hingegen verlangt einen Neuanfang in Syrien, Demokratie und ein Ende des Assad-Regimes. Allerdings ist sie arg gebeutelt und geschwächt.
Ausserdem ist eine der wichtigsten und potentesten Oppositionsgruppen, jene der syrischen Kurden, in Genf gar nicht dabei. Dafür hat die Türkei gesorgt, denn sie sieht in der Kurdenpartei PYD den politischen Ableger der Kurdenmiliz YPG, welche in türkischer Lesart mit der dort verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbandelt ist.
Europäer und Amerikaner ohne Einfluss
Trotz allem rechnet UNO-Vermittler Pedersen mit baldigen Fortschritten und verbreitet Optimismus. Das gehört zu seiner Aufgabe. Und die Aussenminister Sergej Lawrow (Russland), Mohammed Dschawad Sarif (Iran) und Mevlüt Cavusoglu (Türkei) signalisieren mit ihrer Anwesenheit, dass sie hinter dem Versuch stehen.
Nicht oder bestenfalls am Rand mit dabei sind die Amerikaner und die Europäer. Zu gering ist ihr Gewicht in Syrien inzwischen. Auch das zeigt, dass dank der russischen und iranischen Unterstützer viel dafür spricht, dass bei den Genfer Verhandlungen Assad die Oberhand behält und den Ton angeben wird.
UNO: Die beste Chance seit langem
Der Syrienbeauftragte der USA, Joel Rayburn, ermahnte die syrischen Widersacher in Genf bloss dazu, die Kämpfe einzustellen. «Kommt nach Genf!», sagte er. Mit keinem Wort aber forderte er, die langjährigen Alliierten der USA in Syrien – die Kurden –, stärker zu beteiligen.
Eine neue Verfassung für Syrien, gefolgt von einem Referendum darüber und anschliessend freie Wahlen unter UNO-Aufsicht: Das ist jetzt das Ziel. Die UNO spricht von der besten Chance seit langem. Es ist zurzeit auch die einzige. Mehr ist es vorläufig nicht.