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Verhüllungsgesetze im Iran Mullahs erhöhen Druck auf Frauen weiter – die möglichen Folgen

Die neuste Schikane der Sittenwächter löst Wut im Volk aus. Legt der Präsident das Veto ein und ist gar alles Strategie?

Das ist passiert: Im iranischen Parlament sind verschärfte Verhüllungsregeln aufgegleist worden, wonach Frauen künftig Körperumrisse und Haare vollständig verdecken sollen. Bei Zuwiderhandlung wird mit hohen Geldstrafen oder Haft im Extremfall gedroht. Die Pläne der Sittenwächter des Regimes sorgen in der Bevölkerung für grossen Ärger und Angst, weil die ohnehin strengen Regeln nochmals verschärft werden. Und all dies, nachdem der erst im Sommer neu gewählte Präsident Massud Peseschkian noch im Wahlkampf versprochen hatte, eben diese Regeln zu lockern. In den sozialen Medien ist von einer «Kriegserklärung gegen die Frauen im Land» die Rede.

Der Gesetzesentwurf: Das Gesetz ist relativ intransparent und wurde im Vorfeld auch nicht vollständig veröffentlicht. Dies empöre die Gesellschaft umso mehr, erklärt Katharina Willinger, Leiterin des ARD-Büros in Istanbul und des Studio-Büros in Teheran. Von den Sanktionen sind hohe Geldstrafen vom 20-fachen eines durchschnittlichen Monatsgehalts bekannt, wenn eine Frau etwa das Kopftuch künftig zu locker oder nur um die Schultern trägt. Es drohen zugleich Reiseverbote, der Ausschluss von staatlichen Dienstleistungen oder der Entzug oder die Verweigerung des Fahrausweises. Es trifft aber auch alle, welche die Frauen in ihrem Kampf unterstützen. Aber ebenso der Taxifahrer, der eine Frau ohne Kopftuch transportiert, könnte seine Lizenz verlieren. 

Massud Peseschkian
Legende: Irans Präsident Massud Peseschkian: An kritischen Äusserungen zur Sittenpolizei fehlt es im Wahlkampf und auch im jüngsten TV-Auftritt nicht. Ob den Worten auch Taten folgen, ist höchst unsicher. imago images/Zuma/Iranian Presidency

Die Reaktion des Präsidenten: Präsident Massud Peseschkian gilt im iranischen Kontext als moderater Konservativer. In einem Fernsehinterview äusserte er extreme Vorbehalte gegen die Gesetzespläne, die das Volk noch weiter vom System entfremden könnten. Bis zum 13. Dezember müsste er den Gesetzesentwurf unterzeichnen, damit er in Kraft tritt. Er könnte aber auch ein Veto einlegen, wobei fraglich ist, ob er damit im von Hardlinern dominierten Parlament durchkäme. Laut Willinger könnte es aber auch zum bekannten «Good Cop, Bad Cop»-Spiel der islamischen Führung gehören, dass sich der Präsident durchsetzt. So könnte das Regime dem Volk vormachen, dass der von ihm gewählte Präsident sein Versprechen hält und sich für alle einsetzt.

Die Freilassung des Rappers: Dass die Verschärfung des Kopftuchgesetzes zeitlich mit der Freilassung des Rappers Toomaj Salehi zusammenfällt, ist laut Willinger sicher kein Zufall. Dieser hatte die Verse zum Tod vom Mahsa Amini verfasst, die im Gewahrsam der Sittenpolizei gestorben war. Zuerst war er zum Tode verurteilt worden, daraus wurden fünf Jahre Haft und jetzt ist er bereits frei. Wenn irgendwo die Schraube angezogen werde, öffne das Regime anderswo ein Ventil, sagt die Journalistin.

Ein aussenpolitischer Blick: Mit der geschwächten Hisbollah ist der wichtigste Verbündete des Irans bei der in Jahrzehnten aufgebauten Verteidigungsachse der Region stark angeschlagen. Dass nun mit Assad in Syrien ein weiterer Verbündeter derart unter Druck steht, wird zur grossen Baustelle für das Regime in Teheran. Der Iran versucht, einflussreiche Gesprächspartner wie die Türkei und Russland an den Tisch zu holen. Das kündigte der Aussenminister am Rande es Doha-Treffens an und zeigte sich offen, Syrien iranische Truppen zu schicken. Das dürfte bei der Bevölkerung im Iran nicht gut ankommen, denn dieser sei das viele Geld für Waffenlieferungen an ausländische Regimes in der Region seit Langem ein Dorn im Auge, so Willinger.

Rendez-vous, 04.12.2024, 12:30 Uhr ; 

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