Lock him up, sperrt ihn ein, rufen die Trumpanhänger gestern Abend in Saint Paul, Minnesota. Sie meinen damit den Sieger Joe Biden. Trotz der aufgeheizten Stimmung eskaliert die Situation nicht. «Ich hoffe, das Trump-Team setzt den Kampf fort. Ich hoffe, sie gehen vor Gericht. Wir wollen nur eine faire Wahl», sagt ein Anhänger.
Trumps Anwalt Rudy Giuliani erklärte derweil, dass am Montag Klage eingereicht werde. Die Meldungen der TV-Newssender über Joe Bidens Sieg zweifelt er mit irritierender Gestik an: «Alle News-Networks! Alle News-Sendungen, wow! Wir können das Gesetz vergessen, wir können die Richter vergessen!»
Keine Absicht zu gratulieren
Trump spielte gestern noch Golf und liess sich mit einer Hochzeitsgesellschaft fotografieren. Interviews zum Wahlausgang gab der amtierende Präsident bisher keine.
Auch habe sich der Unterlegene laut CNN noch immer nicht beim Wahlsieger Joe Biden gemeldet, um diesem für seinen Erfolg zu gratulieren. Laut seinem Anwalt Giuliani habe er auch nicht die Absicht, dies zu tun. Auch Roger Stone, langjähriger Freund und Berater von Trump, zweifelt daran.
In einer offiziellen Erklärung vom Samstag zeigte Trump, dass er nach wie vor weit davon entfernt ist, die Niederlage überhaupt zu akzeptieren: «Wir alle wissen, warum Joe Biden es eilig hat, sich fälschlicherweise als Sieger auszugeben, und warum seine Medienverbündeten sich so sehr bemühen, ihm zu helfen: Sie wollen nicht, dass die Wahrheit ans Licht kommt.» Unterstützt in dieser Haltung wird Trump von seinen beiden Söhnen Eric und Donald Jr.
Andere Töne schlagen hingegen Schwiegersohn Jared Kushner und weitere politische Verbündete an. Sie wollen laut der Nachrichtenagentur AP Trump überzeugen, seinen Ton zu ändern und eine reibungslose Übergabe zu ermöglichen.
Republikaner im Dilemma
Und seine Partei? SRF-Korrespondent Thomas von Grünigen, erklärt, dass es bei den Republikanern zwei Lager gebe: Da sei der engste Kreis um den Präsidenten, Leute wie Rudolph Giuliani, die weiterhin zu ihm halten. Und da sei aber auch ein grosser Teil der Partei, der – zumindest hinter den Kulissen – ganz klar wisse, dass es kaum mehr eine Chance gebe, dass Trump im Amt bleiben könne. Es gehe nun darum, Trump irgendwie einen möglichst würdevollen Abtritt zu ermöglichen, weshalb in der Öffentlichkeit gesagt werde, dass man die Stimmzettel weiter auszählen und die Gerichtsfälle weiterverfolgen müsse.
Aber für von Grünigen ist klar: «Die Partei muss sich auf die Zeit nach Trump vorbereiten, ausser man denkt daran, dass Trump in vier Jahren wieder kandidieren will.» Dies dürfte er ja, und es wäre ein Möglichkeit. Aber kurzfristig ist klar, dass die Partei einen Weg sucht, Trump klar zu machen, dass er keine Chance mehr hat, und dass er irgendwann einfach abtreten muss.