Vor kurzem galt noch, dass es einen konventionellen Krieg mit Waffen und einen Cyber-Krieg im Internet gibt. Nun wird immer mehr von einem «vernetzten Gefechtsfeld» gesprochen, in dem Kommando- und Kontrollaktionen aller Waffengattungen in der digitalen «Cloud» gesteuert werden. An den Cyber Security Days sprach Vize-Admiral Thomas Daum, Inspekteur des Cyber- und Informationsraums der deutschen Bundeswehr, über die sogenannte «Software Defined Defense».
SRF News: Admiral Daum, die Komplexität auf dem Gefechtsfeld ist durch die Digitalisierung in den letzten Jahren gestiegen. Was sehen Sie davon bereits im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine?
Wir sehen eine Kombination von konventionellen Angriffen zusammen mit Cyberangriffen, mit Kampf im elektromagnetischen Spektrum. Das heisst, wenn eigene Kräfte vorgehen, wird eine Glocke gebaut aus elektronischen Gegenmassnahmen, dass der Gegner mit seinen Drohnen nicht zur Wirkung kommt. Also man sieht, dass das inzwischen auf beiden Seiten intensiv genutzt wird: der Cyberraum, das elektromagnetische Spektrum und der konventionelle Krieg von Panzern, die aufeinander feuern.
Ein weiteres Beispiel ist eine App, mit der die Bevölkerung den Anflug von Drohnen an die Flugabwehr schicken kann. Ist das Teil dieser neuen Denkweise?
Ja, weil man natürlich die Tools, die man dafür nutzen kann, also die App, kostengünstig zur Verfügung stellen kann. Das nennt man auch «Open Source Intelligence». Das heisst, jeder, der sich irgendwo bewegt und ein Smartphone hat, wird zum Sensor für die eigenen Kräfte.
Wie hat sich denn die Bedrohungslage für Europa verändert, wenn man diesen Einfluss von grossen Datenmengen, von Algorithmen, von dieser Vernetzung auf die Kriegsführung einbezieht?
Im Krieg der Zukunft werden die klassischen Waffensysteme, also Panzer, Schiffe, Flugzeuge, und der Cyber- und Informationsraums verbunden. Wir sprechen von «Software Defined Defense». Also auch jeder Panzer ist dann ein Netzwerkknoten und mit den anderen Panzern vernetzt. Dadurch ist die Kampfkraft eines solchen Verbandes deutlich grösser. Wir haben Aufklärungssatelliten, diese liefern Bilder vom taktischen Frontverlauf direkt an den Verband. Die Digitalisierung bestimmt den Krieg der Zukunft durch Datenzentriertheit, Informationszentriertheit und eben die Vernetzung aller Elemente auf dem Gefechtsfeld.
Jeder Panzer ist dann ein Netzwerkknoten und mit den anderen Panzern vernetzt. Dadurch ist die Kampfkraft eines solchen Verbandes deutlich grösser.
Inwieweit sind denn die Nato-Staaten schon auf die «Software Defined Defense» vorbereitet?
Bei den Seestreitkräften und bei den Luftstreitkräften hat man schon vor 20 Jahren begonnen, die taktischen und technischen Möglichkeiten zu nutzen. Dort gilt es, diese stets aktuell zu halten. Aufholbedarf haben wir bei den Landstreitkräften. Das liegt daran, dass wir jetzt mächtige digitale Funkgeräte für den Landeinsatz zur Verfügung haben. In Deutschland haben wir das Projekt «Digitalisierung landbasierter Operationen» gestartet, um jetzt alle Panzer vernetzen zu können. Wichtig ist in der Nato aber auch, dass alle diese komplexen, modernen Systeme aller Mitgliederländer kompatibel sind, um die notwendige Interoperabilität im Einsatz herzustellen.
Das Gespräch führte Philip Meyer.