Ab Ende Jahr darf nur noch Kaffee in die EU eingeführt werden, für dessen Gewinnung in den letzten Jahren keine Wälder gerodet wurden. So soll etwas gegen die Abholzung der Wälder getan werden. Das sei eine gute Sache, sagt der äthiopische Umweltspezialist Gete Zeleke. Aber die Entwaldungsverordnung der EU berge grosse Risiken für Äthiopien.
«Wenn die neuen EU-Regeln wie geplant ab Dezember umgesetzt würden, könnten die Exporte Äthiopiens um bis zu 30 Prozent einbrechen. 26 Millionen Menschen hätten dann möglicherweise keine Arbeit mehr», sagt Zeleke.
Denn das Kriterium, dass keine Wälder gerodet wurden, sei für den Grossteil des äthiopischen Kaffees zwar erfüllt. Aber dies zu beweisen, stelle viele Kaffeebauern vor grosse Herausforderungen, sagt Zeleke. Er leitet in Äthiopien ein Forschungsprojekt, das sich für den Erhalt wertvoller Landschaften einsetzt.
Landschaftsansatz statt Parzellenansatz
In Äthiopien werde der Kaffee meist von Kleinbauern angebaut, auf Millionen von kleinen Parzellen. Für diese Kleinbauern sei es sehr schwierig, die nötigen Daten zu erfassen und zu übermitteln. Gete Zeleke hofft, dass die EU sich bei der Umsetzung ihrer Verordnung flexibel zeigt. Konkret fordert er, dass die EU in Äthiopien statt eines Parzellenansatzes einen sogenannten Landschaftsansatz akzeptiert.
Für diesen Ansatz spricht sich auch Elisabeth Bürgi aus. Sie leitet an der Universität Bern ein Forschungsprojekt, das sich mit der Frage beschäftigt, wie die Entwaldungsverordnung entwicklungsfreundlich umgesetzt werden kann.
Sie beschreibt den Ansatz so: «Sie können sich das vorstellen wie beim Emmentaler. Sie haben eine abgegrenzte Region. Und in dieser Region wird zum Beispiel ein Spezialitätenkaffee aus Äthiopien mit einem bestimmten Namen und Label produziert, und diese Produzenten gehören dazu.»
Ob die EU bereit ist, die Bedenken aus Äthiopien und anderen Entwicklungsländern bei der Umsetzung des Entwaldungsgesetzes zu berücksichtigen, ist offen. Elisabeth Bürgi hält eine Anpassung aber durchaus für realistisch. Die Umsetzung laufe erst an. Die EU werde mit der Zeit auch revidieren müssen.
Lenkt die EU nicht ein, haben Entwicklungsländer auch die Möglichkeit, bei der Welthandelsorganisation zu klagen. Knapp 20 Staaten haben einen solchen Schritt schon in Aussicht gestellt. Juristisch könnten die Kläger zum Beispiel argumentieren, dass die Verordnung unverhältnismässig sei oder dass die EU ausländische Produkte gegenüber inländischen diskriminiere.
Denn: «Diese Regulierung gilt auch für Produkte aus der EU, aus Finnland, Schweden oder Rumänien - Gebiete, wo wir Abholzung auch kennen. Und auch da muss sie streng umgesetzt werden. Im Moment ist aber offen, wie das genau funktionieren soll, weil diese Produkte ja nicht über eine Grenze müssen.»
«Eine grosse Chance»
Noch ist es aber nicht so weit und Experten wie der Äthiopier Gete Zeleke hoffen, dass man mit der EU eine einvernehmliche Lösung findet. Wenn das gelinge, so sei das neue Entwaldungsgesetz auch eine grosse Chance.
Äthiopien könne der Welt offiziell zeigen, dass sein Kaffee biologisch angebaut werde und keine Abholzung dahinterstecke. Viele Entwicklungsländer kritisieren das Entwaldungsgesetz der EU also nicht grundsätzlich, sondern vielmehr das Kleingedruckte.