- Das umstrittene französische Einwanderungsgesetz verstösst in mehreren Teilen gegen die Verfassung. Zu diesem Schluss kommt der Verfassungsrat in Paris.
- Insgesamt sind laut dem Rat rund ein Drittel der Artikel verfassungswidrig, unter anderem etwa die höhere Hürde beim Familiennachzug für Ausländerinnen und Ausländer.
- Mit dem neuen Gesetz möchte Frankreich die Einwanderung besser kontrollieren und die Integration verbessern.
Wie der Rat in Paris entschied, hätten 32 von 86 Artikeln keinen ausreichenden Bezug zum eigentlichen Gesetzesvorhaben. Präsident Emmanuel Macron könnte das Vorhaben nun ohne die gestrichenen Artikel in Kraft setzen.
Präsident Emmanuel Macron könnte sein Schlüsselvorhaben nun ohne die gestrichenen Artikel in Kraft setzen. Dass die Regierung einen neuen Gesetzestext unter Einarbeitung der gestrichenen Passagen vorlegt, sei unwahrscheinlich, berichtete der Sender «France Info» unter Verweis auf Regierungskreise.
Auf Druck der konservativen Oppositionspartei Les Républicains, mit deren Stimmen Macrons Mitte-Lager das Gesetz verabschieden wollte, wurde der Text Ende vergangenen Jahres deutlich stärker verschärft, als der Regierung eigentlich lieb war. Macron und zahlreiche Parlamentarier legten das Gesetz daraufhin dem Verfassungsrat vor. Der französische Verfassungsrat überprüft Gesetze und Vorhaben auf ihre Rechtmässigkeit.
Gericht streicht Ergänzungen des Parlaments
Der Rat strich nun unter anderem Änderungen bei der Familienzusammenführung und die geplante Wiedereinführung der Straftat des irregulären Aufenthalts. Dass Migranten Wohnzuschüsse und Familiengeld erst später als bisher erhalten sollten, sah der Rat auch als nicht im direkten Zusammenhang mit dem Gesetzesvorhaben an und strich den entsprechenden Artikel.
Dass der Rat etliche der Verschärfungen nun kassiert, dürfte durchaus im Sinne der Regierung sein. Wie Innenminister Gérald Darmanin sagte, habe der Verfassungsrat den Gesetzestext mit den Bestandteilen, wie die Regierung ihn auf den Weg gebracht habe, für gut befunden. Für unzulässig erklärt worden seien etliche der Ergänzungen, die erst im Parlament vorgenommen worden seien.
Gesundheitsminister trat aus Protest zurück
Mit den von konservativer Seite eingebrachten Verschärfungen sorgte das Gesetz in Teilen des Regierungslagers für Unmut, einige der Abgeordneten stimmten im Parlament dagegen. Gesundheitsminister Aurélien Rousseau trat aus Protest gegen die Verschärfung des Gesetzes zurück. Medienberichten zufolge hatten zwischenzeitlich auch andere Minister einen Rücktritt erwogen. Macron bildete in Folge der Spannungen die Regierung um und tauschte Premierministerin Élisabeth Borne gegen Bildungsminister Gabriel Attal aus.
Heftige Kritik an der Entscheidung des Verfassungsrates kam von Frankreichs Rechten. Der Chef der Républicains, Eric Ciotti, meinte, der Rat habe politisch und nicht juristisch geurteilt. Macron habe diese Streichungen erwartet. Der Vorsitzende der Républicains im Oberhaus, Bruno Retailleau, schrieb gar, offensichtlich mache nicht mehr das Parlament die Gesetze. Der neue Premier Attal solle seine Regierungserklärung vor dem Verfassungsrat halten. Der Vorsitzende des rechtsnationalen Rassemblement National, Jordan Bardella, schrieb, die von den Franzosen am meisten unterstützten und harten Massnahmen seien gekippt worden. Das Gesetz sei tot.