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Bangladesch: Ein traumatisiertes Land schöpft Hoffnung
Aus Echo der Zeit vom 17.09.2024. Bild: SRF/Maren Peters
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Verschwunden in Bangladesch Entführter Oppositioneller in Bangladesch: «Es war wie ein Grab»

Hunderte Menschen, vor allem politische Oppositionelle, sind in den letzten 15 Jahren gewaltsam verschleppt worden. Nach Hasinas Rücktritt fordern sie Aufklärung und Gerechtigkeit für die Opfer.

Eine schwarz verschleierte Muslimin hält ein grosses Foto ihres verschwundenen Bruders in der Hand: «Zivile Polizisten kamen kurz nach Mitternacht zu uns nach Hause und haben ihn mitgenommen. Das war vor elf Jahren. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört.»

Ihr Bruder sei aktives Mitglied der oppositionellen BNP-Partei gewesen, der Bangladesh Nationalist Party, sagt die junge Frau bei einer Menschenkette von Angehörigen in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Doch die Polizei habe sich geweigert, auch nur eine Anzeige aufzunehmen.  

Die Ungewissheit zerstörte ganze Familien

Die Ungewissheit über sein Schicksal habe die ganze Familie kaputt gemacht. Mehr als 700 Menschen sind in den 15 Jahren, in denen Sheikh Hasina und ihre Awami League regierten, durch die Polizei oder andere Strafverfolgungsbehörden verschleppt worden, schätzt die Menschen­rechts­organisation Odhika. Die tatsächlichen Zahlen könnten noch deutlich höher liegen.

Eine Frau hält ein grosses Bild eines Mannes – ihrem Bruder – in den Händen
Legende: Vor elf Jahren wurde der Bruder dieser Frau von zivilen Polizisten mitgenommen. Seither fehlt von ihm jede Spur. SRF/Maren Peters

Sanjida Islam ist Koordinatorin der Nicht­regierungs­organisation Mayer Daakan – übersetzt: Der Ruf der Mütter – in der sich die Familien der gewaltsam Verschleppten organisiert haben. Auch ihr Bruder ist ein Opfer. Besonders viele Oppositionelle seien jeweils vor den Wahlen verschleppt oder ermordet worden, sagt die anfangs 40-Jährige. Das Regime von Sheikh Hasina, das sie faschistisch nennt, habe ihre Gegner verschwinden lassen, um an der Macht bleiben zu können.

Fünf Jahre in einem Raum ohne Licht

Michael Chakma ist einer von wenigen gewaltsam Verschleppten, die seit dem Regierungswechsel Anfang August freigelassen wurden. Die letzten fünf Jahre habe er in einem kleinen Raum ohne Licht verbracht, erzählt Chakma bei einem Treffen. Er setzt sich für die Rechte unterdrückter ethnischer Minderheiten im grenznahen, hochmilitarisierten Südosten Bangladeschs ein. Über seine Jahre in einem Gefängnis des militärischen Geheimdienstes sagt er: «Es war wie ein Grab.»

Ein gequält dreinblickender junger Mann
Legende: Michael Chakma wurde nach der Flucht der ehemaligen Regierungschefin Sheikh Hasina freigelassen. SRF/Maren Peters

Nach seiner Verschleppung durch zivile Polizisten sei er wochenlang verhört worden. Immer wieder sei er gefragt worden, warum er die Regierung von Sheikh Hasina kritisiere. Er sei gefoltert worden. Und er habe kaum schlafen dürfen.

Opfersuche ist Priorität der neuen Regierung

Vom Rücktritt der alten Regierung bekam der heute 45-Jährige in seiner Zelle nichts mit. Eines Tages sei er geweckt, mit verbundenen Augen in ein Auto gesteckt und nach ein paar Stunden im Niemandsland ausgesetzt worden. Es war der 7. August, zwei Tage nach der Flucht Sheikh Hasinas nach Indien.

Menschen mit Bildern und einem Plakat
Legende: Eine Menschenkette forderte Ende August in Dhaka die Aufklärung der Schicksale der verschleppten Oppositionellen. SRF/Maren Peters

Die neue Übergangsregierung unter Nobelpreisträger Muhammad Yunus hat die Suche nach den Opfern zur Priorität erklärt. Eine Kommission soll bis Oktober einen Bericht zum Verbleib der Vermissten verfassen. Unter Yunus hat Bangladesch auch eine UNO-Konvention zu gewaltsam verschleppten Personen unterzeichnet.

Die Opferfamilien können wieder hoffen. Auch Michael Chakma. Er fordert nun die Bestrafung seiner Peiniger und Kompensation für die verlorenen fünf Jahre seines Lebens.

Echo der Zeit, 17.9.2024, 18 Uhr

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