- Auch an Weihnachten ist mit einer mangelnden Versorgung mit Treibstoffen und Produkten in Supermärkten zu rechnen.
- Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson hat die Hoffnungen auf eine kurzfristige Besserung der Versorgungslage gedämpft.
- Trotz der Engpässe will Johnson den Forderungen nicht nachgeben, die nach dem Brexit verschärften Einwanderungsregeln zu lockern.
In einem Interview mit der BBC teilte Boris Johnson die Einschätzung von Finanzminister Rishi Sunak, dass die Versorgungskrise in Grossbritannien noch bis zu den Festtagen andauern könnte. Gleichzeitig gab er zu, dass sich ein Mangel an Lastwagenfahrer schon seit Langem abgezeichnet hatte.
Autofahrer in Grossbritannien haben derzeit grosse Schwierigkeiten, an Benzin oder Diesel zu kommen. Vor den Tankstellen bilden sich lange Autoschlangen, vielerorts ist gar nichts mehr zu bekommen. Besonders in London und dem Südosten des Landes ist die Lage angespannt. In Schottland und im Norden Englands gibt es hingegen Anzeichen, dass der Druck etwas nachlässt.
Weniger Abhängigkeit vom Ausland
Wegen des EU-Austritts von Grossbritannien haben viele Lastwagenfahrer das Land verlassen. Damit fehlen die Chauffeure für die Verteilung der Güter in Grossbritannien.
Trotzdem will Johnson den Forderungen nach einer Lockerung der nach dem Brexit verschärften Einwanderungsregeln nicht nachgeben. «Was wir nicht wollen, ist eine Situation, in der die Logistikbranche sich auf die Einwanderung günstiger Arbeitskräfte stützt.»
Das habe nämlich zur Folge, «dass die Gehälter nicht steigen und die Qualität der Arbeitsplätze nicht zunimmt». Die britische Wirtschaft müsse ihre Abhängigkeit von schlecht bezahlten ausländischen Arbeitskräften beenden, um eine «gut bezahlte, gut ausgebildete, hochproduktive Volkswirtschaft» zu werden.
Es fehlen rund 100'000 Chauffeure
In Grossbritannien fehlen schätzungsweise rund 100’000 Fahrer und Fahrerinnen. Das führte bereits zu leeren Regalen in Supermärkten. Auch in anderen Branchen, etwa in der Fleischindustrie, gibt es einen erheblichen Mangel an Fachkräften. Tausende Arbeitnehmer aus östlichen EU-Staaten sind seit dem Brexit abgewandert.
Kurzfristig will London nun auf ausländische Fachkräfte zurückgreifen. Am Samstag kündigte die Regierung an, Arbeitsvisa zu verlängern. Zudem sollen Visa für 300 Tanklastfahrer umgehend ausgestellt werden und bis kommenden März gelten.
Insgesamt sollen von Ende Oktober an 5000 ausländische Fernfahrer für eine befristete Dauer in Grossbritannien arbeiten. Statt bis Weihnachten sollen sie bis Februar bleiben können.
Armee muss aushelfen
Zur Überbrückung helfen ab Montag auch rund 200 britische Militärangehörige, darunter 100 Lastwagenfahrer, beim Verteilen von Treibstoffen.
Verwunderung löste auch eine Briefkampagne aus, bei der offenbar wahllos Menschen aus Deutschland mit einem Führerausweis aufgerufen wurden, sich ans Steuer eines Lastwagens zu setzen, auch wenn sie das zuvor noch nie getan haben. Führerscheine der Klasse 3, die in Deutschland bis 1999 ausgegeben wurden, erlauben das Fahren eines Lastwagens bis 7.5 Tonnen. Laut dem «Independent» haben tausende Deutsche ein entsprechendes Schreiben erhalten.