Das hiesige Geldwäschereigesetz – ein Schlupfloch für Oligarchen, die Vermögenswerte vor Sanktionen schützen wollen? Dies wirft die sogenannte Helsinki Commission der Schweiz vor. Stein des Anstosses: die fehlende Sorgfaltspflicht für Anwälte, Notare und andere Berater hierzulande.
Wenn Anwältinnen und Anwälte beispielsweise bei der Gründung einer Briefkastenfirma beratend helfen und Geldwäscherei dahinter vermuten, müssen sie keine Meldung erstatten. Umgemünzt auf die Oligarchen-Problematik bedeutet dies: Liegenschaften und Konten von sanktionierten Personen bleiben möglicherweise unentdeckt – denn sie könnten durch Drittfirmen verschleiert werden, deren Aushängeschild nach aussen ein Schweizer Anwalt ist.
Gesetzestreue versus Imageschaden
Marcel Alexander Niggli hat für den Schweizerischen Anwaltsverband in einem Gutachten die Frage geklärt, ob Anwältinnen und Anwälte sanktionierte Kunden melden müssen oder nicht. Seine Antwort: nein. Mit der Meldepflicht, also der Offenlegung von Kundendaten, würde das Anwaltsgeheimnis ausgehebelt, so der Strafrechtsprofessor.
Dass der nun laut gewordene Vorwurf des Schlupflochs am Image der Schweiz kratze, möge sein, sagt Niggli. «Aber die Schweiz gerät auch in Verruf, wenn sie ihre eigenen Gesetze nicht einhält.»
Das Reputationsrisiko ist gewaltig.
Anders beurteilt dies die emeritierte Professorin und Rechtsanwältin Monika Roth. Sie sagt: «Das Reputationsrisiko ist gewaltig.» Die Schweiz als «Gehilfin Putins» – ganz von der Hand zu weisen sei dieser Vorwurf nicht. Zum einen wegen des Anwaltsgeheimnisses, zum anderen, weil Transparenz-Register fehlen. «Man kann nicht herausfinden, wer hinter Briefkastenfirmen steckt.»
Mit dem Ukraine-Krieg sei eine Situation eingetreten, welche die Schweiz verpflichte, genau hinzuschauen. «Die Schweiz ist ein bedeutender Finanzplatz, Oligarchen nutzen die guten Infrastrukturen und die Rechtssicherheit.»
Ukraine-Krieg dürfte politische Debatte anheizen
Klar ist: Die Kritik der Helsinki Commission ist Zunder für die politische Debatte über das Geldwäschereigesetz, deren Brisanz nie ganz erloschen ist.
Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE), Präsident der Kommission für Rechtsfragen in der kleinen Kammer, stört sich vor allem daran, dass die Schweiz nicht die gleichen Regeln besitzt wie Europa. In Frankreich und anderen Ländern setze man die Empfehlungen der «Financial Action Task Force» um, einer internationalen Institution zur Bekämpfung von Geldwäscherei. Diesen zufolge sollen Anwälte, die beispielsweise Offshore-Firmen gründen, auf Geldwäscherei hin kontrolliert werden.
Sie können Ihrem Anwalt einen Mord gestehen, er darf sie nicht verraten. Und so muss es für alle Delikte sein.
Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP/ZH) dagegen hält den Ball flach. «Wenn im Geldwäscherei-Bereich internationale Kritik kommt, beginnen wir Schweizer schnell zu hyperventilieren.» Das Mitglied der Kommission für Rechtsfragen im Nationalrat glaubt, dass die USA so den Finanzplatz Schweiz schädigen wolle. Wie schon Niggli unterstreicht Steinemann die Bedeutung des Anwaltsgeheimnisses: «Sie können Ihrem Anwalt einen Mord gestehen, er darf sie nicht verraten. Und so muss es für alle Delikte sein.»
Das Staatssekretariat für Wirtschaft klärt derzeit, wie die Auskunftspflicht von Anwälten in Bezug auf die Sanktionen auszulegen ist – also ob das Anwaltsgeheimnis allenfalls doch zu lockern ist. Das Seco hält auf Anfrage aber auch fest: «In Bezug auf die Umsetzung der Sanktionen muss bewusst sein, dass Vermögenswerte von den Banken blockiert und gemeldet werden müssen. Eine Meldung durch die Anwälte und auch Steuerbehörden wäre deshalb nur subsidiär.»