Entscheid des Internationalen Gerichtshofs: Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag, das höchste Gericht der Vereinten Nationen, hat in einem Rechtsgutachten festgestellt, dass Israels andauernde Besetzung der palästinensischen Gebiete gegen das Völkerrecht verstösst. Die Besetzung wird nicht mehr als temporär angesehen. Das Rechtsgutachten, das diese Feststellung trifft, wurde auf Anfrage der UNO-Generalversammlung aus dem Jahr 2022 erstellt.
Das Rechtsgutachten im Detail: Der Internationale Gerichtshof stellt klar, dass die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete, einschliesslich des Westjordanlands, des Gazastreifens und Ostjerusalems, illegal ist. Bereits 2004 wurde die Illegalität der Siedlungen festgestellt. Neu ist die Aufforderung, dass Israel schnellstmöglich fast eine halbe Million Siedler aus dem Westjordanland evakuieren muss.
Die Position Israels: Israel hat sich nicht an dem Verfahren beteiligt. Es bezeichnete es als nicht hilfreich und politisch motiviert. Es sieht die Nutzung des gerichtlichen Weges als Missbrauch an.
Die Reaktion Netanjahus: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies die Entscheidung des 15-köpfigen Richtergremiums in Den Haag zurück. Das jüdische Volk könne in seinem historischen Heimatland nicht als Besatzer betrachtet werden, sagte er. «Keine falsche Entscheidung in Den Haag wird diese historische Wahrheit verzerren.» Er fügte hinzu, dass die Rechtmässigkeit israelischer Siedlungen in den genannten Gebieten ebenso wenig angefochten werden könne.
Militärbesetzung und Völkerrecht: Eine militärische Besetzung ist nach einem Krieg nur kurz erlaubt, um die im Krieg erworbene Position zu verteidigen. Danach muss auf Frieden hingearbeitet werden. Davon könne aber nach über einem halben Jahrhundert keine Rede mehr sein, sagt Thomas Verfuss. Der Journalist in Den Haag ist Experte für internationales Recht. Zudem hat die Besatzungsmacht die Pflicht, die Zivilbevölkerung zu schützen und für ihre Lebensgrundlage zu sorgen. Israel wird jedoch vorgeworfen, den Palästinensern Wasser abzugraben. Der IGH sagt, Israel habe eine systematische Diskriminierungspolitik eingeführt, und komme seinen Verpflichtungen nicht nach.
Konsequenzen des Gutachtens: Das Gutachten stellt klare Verpflichtungen auf, wie den Abzug der Siedler aus den illegalen Kolonien. Es hat auch Konsequenzen für andere Länder, auch die Schweiz. Der Internationale Gerichtshof betont, dass die Verpflichtung, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu respektieren, eine allgemeine Verpflichtung (Erga omnes) ist. Dies bedeutet, dass alle UNO-Mitgliedsstaaten daran arbeiten müssen, dass die Palästinenser ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben können. Dasselbe gilt für die Annexion Ostjerusalems: Mitgliedsstaaten der UNO dürfen die illegale Annexion der Stadt nicht anerkennen oder unterstützen.
Verbindlichkeit des Gutachtens: Das Gutachten ist laut Thomas Verfuss zwar nicht bindend. Es spiegelt aber die Meinung internationaler Juristen zum geltenden Völkerrecht wider. Die Richter haben die UNO-Generalversammlung und den Weltsicherheitsrat aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen, um das Gutachten in die Praxis umzusetzen.