Wie ein Gefängnis sieht die schöne, grosse Küche der vierfachen Mutter Rawan nicht aus. Aber die 33-jährige Palästinenserin im Städtchen Huwara fühlt sich, wie wenn sie in einem Gefängnis leben würde – vor allem seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas Anfang Oktober.
«Wir leben hier in einem grossen Gefängnis: Wir können kaum ausgehen, weil der Checkpoint der israelischen Armee gleich gegenüber unseres Hauses ist», klagt sie.
Zwei Monate lang sei es verboten gewesen, das Haus zu verlassen. «Als mein Mann trotzdem einmal rausging, schlugen sie ihn vor den Kindern. Und am selben Tag schossen sie dem Mann meiner Tante in die Beine.»
Jüdische Siedlung stetig ausgebaut
Huwara ist seit Jahren ein Brennpunkt der Gewalt. Hier leben rund 7000 Palästinenserinnen und Palästinenser, gleich unterhalb der jüdischen Siedlung Yitzhar.
Diese wurde seit den 1980er-Jahren stetig ausgebaut und hat heute eine Bevölkerung von rund 2000 Menschen. Das alles geschah nach internationalem Rechtsverständnis illegal – auf palästinensischem Land.
Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober liessen die Siedler zusammen mit der israelischen Armee alle Geschäfte an der Hauptstrasse schliessen, Scharfschützen auf Hausdächer stellen und mit Checkpoints die Durchfahrt für Palästinenser erschweren.
Checkpoints versperren den Weg
Auch die Kinder waren betroffen: «Zwei Monate lang konnten die Kinder gar nicht zur Schule gehen, jetzt dürfen sie das immerhin wieder drei Tage pro Woche», sagt Rawan. «Warum dürfen ihre Kinder alles, und unsere bekommen nicht einmal eine richtige Schulbildung?»
Draussen spielen könnten die Kinder ebenfalls nicht. Zu gross ist die Angst vor den Soldaten und den Siedlern, die in den letzten Monaten von der Regierung bewaffnet wurden.
Checkpoints versperren den Weg zu den Geschäften.
Rawan sagt, dass sie mit ihren vier Kindern zwar rausgehe. Aber es sei noch immer schwierig, für Einkäufe zu Geschäften in anderen Quartieren zu gelangen. «Checkpoints versperren den Weg dahin.»
Die Wirtschaft Huwaras lebt vom Durchgangsverkehr. Die militärische Blockade hat diesen, und somit auch die Wirtschaft, zum Erliegen gebracht. Davon betroffen ist nicht nur Huwara.
Die Weltbank und die Internationale Arbeitsorganisation ILO rechnen fürs Westjordanland mit einem dramatischen Verlust von Arbeitsstellen und Einkommen.
Drohungen von Soldaten und Siedlern
Neben finanziellen Sorgen machten Rawan auch die Drohungen israelischer Soldaten und Siedler Angst. «Soldaten sagten uns: ‹Wenn wir mit Gaza fertig sind, fangen wir mit Huwara an.›» Und die Siedler doppelten aus ihren Autos mit Drohgebärden nach: «Sie rufen: ‹Ihr werdet noch sehen, was wir mit euch machen!›»
Die Bevölkerung von Huwara weiss aus Erfahrung, dass dies keine leeren Drohungen sind: Schon vor einem Jahr haben radikale Siedler palästinensische Häuser und Geschäfte angezündet und auf Menschen geschossen, während die Armee zuschaute.
Damals forderte der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich die Armee sogar auf, Huwara auszulöschen.