Eine Umfrage des Arab Barometers, die kurz vor dem 7. Oktober durchgeführt wurde, ergab ein klares Bild: Die Bevölkerung Gazas hat wenig Vertrauen in die Hamas. Wie hat sich diese Haltung nach dem Terroranschlag der Hamas und der militärischen Antwort Israels verändert? Antworten hierzu liefert eine neue Umfrage, die das Palestinian Center for Policy and Survey Research in Zusammenarbeit mit der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführt hat. Steven Höfner von der Stiftung kennt die Umfrageergebnisse.
SRF News: Hat die Unterstützung der Hamas seit dem 7. Oktober zugenommen?
Steven Höfner: Wir müssen auf die zwei geografischen Grössen in den palästinensischen Gebieten schauen: den Gazastreifen und das Westjordanland. Im Vergleich zur Umfrage aus dem September ist die Zustimmung zur Hamas im Gazastreifen gleichgeblieben. Wir sehen aber einen enormen Anstieg der Zustimmung für die Hamas im Westjordanland.
Wie erklären Sie sich diese grossen Unterschiede?
Die Palästinenser im Westjordanland beobachten den Krieg im Gazastreifen aus etwas weiterer Distanz. Sie haben nicht unmittelbar die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Im Gazastreifen sind die Auswirkungen des Krieges unmittelbar zu spüren. Und dafür kann in gewisser Weise auch die Hamas verantwortlich gemacht werden.
Zur Umfrage des PCPSR in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung
Über 90 Prozent der Befragten im Westjordanland und im Gazastreifen glauben nicht, dass die Hamas am 7. Oktober Gräueltaten an israelischen Zivilisten begangen hat. Wie ist das angesichts der Menge an Bildern und Videos, die international kursiert sind, zu erklären?
85 Prozent haben gesagt, dass sie solche Videos nicht gesehen haben. Es findet eine sehr selektive Wahrnehmung statt. Es werden vor allem Medien, auch soziale Medien, konsumiert, die eher das Narrativ der Hamas wiedergeben. Dazu kommt, dass im Gazastreifen für die Zivilbevölkerung gar nicht die Zeit dafür da ist, sich gross Videos oder Nachrichten anzuschauen. Viele Palästinenser wollen sich die Taten des 7. Oktober auch nicht wirklich vor Augen führen.
Welche Akteure haben unter den Palästinenserinnen und Palästinensern die grösste Unterstützung?
Die Hamas geniesst die grösste Einzelunterstützung. Allerdings gibt es immer noch auch einen grossen Anteil in der Bevölkerung, der die Hamas nicht unterstützt. Dazu gehören Unterstützer für die Fatah, allerdings in zurückgehendem Masse. Und es gibt auch einen Anteil von vielleicht einem Drittel, der weder Fatah noch Hamas befürwortet. Es gibt auch viele Stimmen, die etwas komplett Neues schaffen wollen.
Sie haben auch untersucht, welche Haltung Palästinenserinnen und Palästinenser gegenüber dem Ausland haben. Was lässt sich hierzu sagen?
Es lässt sich erkennen, dass es eine breite Ablehnung gegenüber den Handlungen aller ausländischen Staaten gibt – mit Ausnahme des Jemen, und da vor allem durch die Huthi-Rebellen repräsentiert. Es gibt auch eine übermässige Zustimmung für Katar und die Rolle der Hisbollah.
Alle anderen Staaten und internationalen Akteure erhalten nur sehr wenige Zustimmungswerte.
Alle anderen Staaten und internationalen Akteure erhalten nur sehr wenige Zustimmungswerte. Zumindest hat Katar einen gewissen Rückhalt in der palästinensischen Bevölkerung, und dessen Mediatorenrolle wird eher positiv wahrgenommen. Und daher wird auch die Zukunft wahrscheinlich stärker durch die Mediatorenrolle von Katar geprägt sein.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.