Die grausamen Terrorakte der Hamas vom 7. Oktober sind zwar nicht vergessen. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung wurden sie bereits ein wenig in den Hintergrund verdrängt. Die Schlagzeilen gelten jetzt dem israelischen Vorgehen im Gazastreifen und der humanitären Not dort.
Was abzusehen war, ist eingetreten: Israel hat die Schlacht um die internationale Sympathie verloren. Und die Schlacht gegen die Hamas hat es keineswegs gewonnen. Zumal das erklärte Ziel der Regierung von Benjamin Netanjahu illusorisch ist, nämlich die radikal-islamistische Terrororganisation auszulöschen. Selbst nachhaltige militärische Schwächung ist kaum zu bewerkstelligen. Ein Krieg gegen Terroristen ist mit klassischen militärischen Mitteln nicht zu gewinnen.
Die Folgen des Hamas-Terrors
Der grösste Verlierer, der von der Hamas angezettelten Gewalteskalation, ist Israel. Militärisch und politisch. Es ist eine Katastrophe, dass nun alle Welt gesehen hat, wie verletzlich Israel ist. Die Abschreckungswirkung seines Sicherheitsapparates ist fundamental infrage gestellt. Dramatisch ist das für die israelische Bevölkerung. Sie kann nicht länger darauf vertrauen, dass sie wenigstens in diesem einen kleinen Staat wirklich sicher leben kann. Mit einem solchen Debakel dürften die allerwenigsten gerechnet haben. Mit dem Ausmass des neuerlichen Antisemitismus wohl auch nicht.
Erwartbar war, dass selbst die Hamas-Gräueltaten keine weltweite Solidarisierung mit Israel auslösen würden. Die meisten Länder des sogenannten «globalen Südens» stehen weiterhin klar im Lager der Palästinenser. Erschreckend viele hegen sogar Sympathien für die Hamas. Und selbst Grossmächte wie Russland und vor allem China sind bis heute nicht bereit, den Hamas-Terrorismus als solchen zu bezeichnen und zu verurteilen.
Die Rolle der UNO
Entsprechend kann in diesem neu aufgeladenen Konflikt die UNO bestenfalls eine Rolle als humanitäre Helferin spielen – was sie tut, jedoch keine als Vermittlerin. Wie schon im Syrien- und Ukraine-Konflikt ist der UNO-Sicherheitsrat auch im Gaza-Konflikt gelähmt. Die Mehrheitsverhältnisse sind seit langem derart einseitig zugunsten der Palästinenser, dass die Vereinten Nationen als Vermittlerin kaum infrage kommen.
Dazu kommt: Auf welchen Frieden soll man überhaupt hinarbeiten? Welche politische Perspektive gibt es? Offiziell ist es immer noch die Zweistaatenlösung. Bloss war eine Einigung darauf kaum je so chancenlos wie gerade jetzt. Gleichzeitig fehlt jegliche konsensfähige Alternative.
Vorläufige Zurückhaltung der libanesischen Hisbollah
Wenigstens ein Schreckensszenario ist – zumindest bisher – nicht eingetreten, nämlich dass der Gaza-Krieg sogleich zu einem gesamtnahöstlichen Flächenbrand wird. Zwar tun die jemenitischen Huthis, die immer mehr zum Marionettenregime der Iraner werden, viel dafür, den Konflikt auszuweiten. Doch die vom Iran hochgerüstete libanesische Hisbollah hält sich vorläufig zurück. Offenbar ist man in Teheran an der ganz grossen Eskalation nicht interessiert, wenigstens momentan.
Die Gewinner und Verlierer
Dennoch gehört der Iran zu den Gewinnern der jüngsten Eskalation. Ebenso Russland und China, die sich als grosse Förderer der palästinensischen Sache inszenieren können und sich damit in der Dritten Welt zusätzliche Freunde schaffen. Die Saudis müssen einerseits die geplante Normalisierung ihrer Beziehungen zu Israel auf die lange Bank schieben, können sich aber vielleicht andrerseits – neben Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten – als Vermittler profilieren.
Zu den Verlierern gehören hingegen, neben Israel selber, die USA. Sie werden unwillig, aber unweigerlich immer stärker in den Konflikt hineingezogen. Dann die EU. Sie erkennt einmal mehr, dass sie mangels Einigkeit und Durchschlagskraft auf der weltpolitischen Bühne eine Akteurin zweiter Klasse ist.
Den allergrössten Kollateralschaden erleidet indes die Ukraine. Der Gaza-Krieg lenkt ab, leitet Ressourcen um und untergräbt die westliche Solidarität mit dem Land. Es wird immer fraglicher, wie die Ukraine Russland militärisch standhalten soll, ja wie sie überhaupt ökonomisch durch diesen Winter kommt. Es sieht übel aus für die Ukraine.