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Lebenslange Haft in Prozess um Staatsfolter in Syrien
Aus Tagesschau vom 13.01.2022.
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Verurteilung in Deutschland Lebenslange Haft im ersten Prozess um syrische Staatsfolter

  • Im Prozess gegen den ehemaligen syrischen Geheimdienstmitarbeiter Anwar R. hat ein Gericht im deutschen Koblenz eine lebenslange Haftstrafe ausgesprochen.
  • Es war der weltweit erste Prozess wegen Staatsfolter in Syrien. Die Richter stuften das Vorgehen des Hauptangeklagten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein.
  • Konkret soll der ehemalige Vernehmungschef in einem syrischen Geheimdienst-Gefängnis in Damaskus in den Jahren 2011 und 2012 tausende Menschen gefoltert haben. Mindestens 30 Gefangene seien gestorben.

Der im April 2020 begonnene Prozess ist nun am 108. Verhandlungstag zu Ende gegangen – noch ist das Urteil aber nicht rechtskräftig. Das Verfahren erregte international für Aufsehen, da mehr als 80 Zeugen aussagten und eine Reihe von Folteropfern als Nebenkläger auftraten.

Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht erlaubt es, in Deutschland mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen. Anwar R. und der frühere Mitangeklagte Eyad A. waren nach ihrer Flucht in Deutschland von mutmasslichen Folteropfern erkannt und 2019 in Berlin und Zweibrücken festgenommen worden.

Stichwort: Weltrechtsprinzip

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Dass ein syrischer Geheimdienstler wegen Taten in Syrien vor einem deutschen Gericht steht, ermöglicht das so genannte Weltrechtsprinzip, dem auch Deutschland folgt. Danach ist das nationale Strafrecht bei schwersten Taten nach dem Völkerrecht wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Völkermord auch auf Sachverhalte ohne spezifischen Bezug zum Inland anwendbar. Weder muss der Tatort im Inland liegen, noch müssen Täterschaft oder Opfer die Staatsangehörigkeit des betroffenen Staates besitzen.

Signalwirkung auf andere Prozesse?

Eyad A. wurde bereits vom Oberlandesgericht zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Über seine Revision ist noch nicht entschieden worden. Eyad A. hatte nach Überzeugung der Koblenzer Richter 2011 in Syrien dazu beigetragen, 30 Demonstranten ins Foltergefängnis des Hauptangeklagten zu bringen.

Opferverbände und Menschenrechtsorganisationen erhoffen sich, dass das Urteil Signalwirkung auf weitere Prozesse gegen ehemalige Mitglieder des syrischen Regimes hat. Viele Syrerinnen und Syrer werteten das Urteil auch als auch Absage an jegliche Zusammenarbeit mit einem verbrecherischen Regime, sagte die Journalistin Hannah El-Hitami, die den Prozess vor Ort verfolgte.

Letztlich sei das Urteil auch eine historische Gegendarstellung, nachdem Präsident Assad die Folter in syrischen Gefängnissen seit Jahren leugne, ergänzte El-Hitami. Unabhängig davon seien Syrerinnen und Syrer ernüchtert und ohne Illusion, dass das Urteil etwas am Schicksal der in Syrien Verschwundenen und noch Inhaftierten ändert. So habe das Urteil eher eine symbolische und emotionale Wirkung für jene, die jetzt ausgesagt hätten.

Einschätzung von Nahost-Korrespondent Jonas Bischoff

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Das Urteil aus Deutschland hat eine juristische Signalwirkung. Aber: Die Mächtigen hier in der Region interessiert vor allem die politische Grosswetterlage. Und die sieht für den syrischen Machthaber Baschar Al-Assad seit Längerem nicht schlecht aus. Dank der Unterstützung aus China und Russland im UNO-Sicherheitsrat kann er sich auch fast elf Jahre nach Ausbruch des Syrienkonflikts an der Macht halten. Mehr noch: Viele Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien oder Jordanien arbeiten aktiv an einer Normalisierung der Beziehungen zu Syrien – aus wirtschaftlichen und politischen Gründen. Und daran wird auch dieses Urteil aus Deutschland nichts ändern.

«Fortschritt auf dem Weg der Gerechtigkeit»

Die Untersuchungskommission des UNO-Menschenrechtsrats zu Syrien in Genf begrüsste das Urteil. «Urteile wie dieses sind ein dringend nötiger Fortschritt auf dem Weg zur Gerechtigkeit für die Opfer und Überlebenden von Kriegsverbrechen in Syrien», sagte der Kommissionsvorsitzende Paulo Sergio Pinheiro.

Die Anstrengungen, Verantwortliche für solche Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen, dürften nicht nachlassen. Die Kommission hat in mehr als 20 Berichten Verbrechen in Syrien dokumentiert. In Gefängnissen sässen bis heute Opfer von Folter. Ebenso würden mehr als 100'000 Menschen in Syrien vermisst, teilte die Kommission mit.

Das Gericht in Koblenz hat eindeutig und formal die unmenschlichen Haftbedingungen, systematische Folter, sexualisierte Gewalt und Tötungen in Syrien festgestellt.
Autor: Markus N. Beeko Generalsekretär Amnesty International

Auch Amnesty International hiess das Urteil gut und nannte es ein «wichtiges Signal im Kampf gegen Straflosigkeit». Der Generalsekretär des deutschen Ablegers der Menschenrechtsorganisation, Markus N. Beeko, erklärte: «Das Gericht in Koblenz hat eindeutig und formal die unmenschlichen Haftbedingungen, systematische Folter, sexualisierte Gewalt und Tötungen in Syrien festgestellt.»

SRF 4 News, 13.1.22, 11:00 Uhr ; 

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