Die derzeit wohl wichtigste Frage darf auf dem Hof «Schweizarskoe Moloko» (Schweizer Milch) im russischen Weiler «Gorbjonki» nicht gestellt werden: Was halten die Schweizer Bauern, die hier seit bald zwanzig Jahren Milch produzieren, vom Krieg in der Ukraine? Dazu könne und wolle man sich nicht äussern, sagte der Entlebucher Bauer Marcel Bucher schon vor unserem Besuch.
Man muss den Schweizer Bauern in Kaluga aber zugutehalten, dass sie dennoch gastfreundlich ihre Tore öffnen und einen Einblick in ihren stattlichen Betrieb gewähren. Darin unterscheiden sie sich von verschiedenen Schweizer Firmen in Russland, die seit Kriegsbeginn bei Dreh-Anfragen strikt ablehnen. Die Landwirte sagen auch recht offen, warum man hier in Sachen Ukrainekrieg so zurückhaltend sei.
«Wir haben ein Geschäft hier in Russland, dem müssen wir Sorge tragen. Und da müssen wir uns einfach möglichst raushalten aus der Politik», sagt Jakob Bänninger. Er fügt hinzu, dass man für gewisse Tätigkeiten zum Beispiel auch auf Lizenzen des russischen Landwirtschaftsministeriums angewiesen sei. Diese wolle man nicht gefährden.
Verantwortung gegenüber Einheimischen
Bänninger gehört zu den drei «Gründervätern», die den Betrieb 2004 gegründet haben. Auf dem Landstück einer ehemaligen, heruntergewirtschafteten Kolchose. Er selbst wohnt eigentlich in der Schweiz, ist aber mehrmals jährlich in Russland, um die «jüngere Generation» zu unterstützen.
Zu dieser Generation gehören Marcel Bucher und Florian Reichlin, die beide ihren festen Wohnsitz in Russland haben und hier auch schon über 15 Jahre leben. Und das soll sich auch nicht ändern – trotz des Krieges. «Wir haben hier in den letzten Jahren viel Geld investiert. Viele Leute leben von dem Betrieb», sagt Bucher. «Sie ernähren mit dem Lohn ihre Familien.» Da habe man eine gewisse Verantwortung und könne nicht einfach abhauen.
Russlands Krieg in der Ukraine wird dabei möglichst wenig diskutiert – «obwohl es auch auf diesem Hof ganz klar unterschiedliche Meinungen gibt», wie man uns sagt. «Wir als Ausländer wollen uns nicht irgendwie auf eine Seite schlagen», sagt Bucher. «Wir sind da zum Bauern und wollen unsere Sachen machen. Wir wollen es mit den Leuten gut haben und arbeiten.»
Alle hoffen auf ein Ende des Krieges
Und doch. Natürlich ist der Konflikt im Nachbarland auch in dieser Idylle präsent. Zwar wurde von den Arbeitern noch niemand eingezogen. Aber zum Teil sind Verwandte an der ukrainischen Front. Zudem spüren sie die direkten Folgen der Sanktionen, wenn sie Ersatzteile für ihre aus dem Westen stammenden Landwirtschaftsmaschinen brauchen. Diese sind teils nur schwer oder gar nicht mehr erhältlich.
Die Region sei durchaus vom Krieg betroffen, sagt uns Mechaniker Vadim. In seinem Dorf seien bereits zwei Männer nicht mehr aus dem Krieg zurückgekehrt. «Davon erzählt man uns aber nicht viel», so Vadim nachdenklich. Und fügt dann hinzu: «Wenn doch nur alles bald vorbei wäre. Das Volk soll doch einfach leben. Was brauchen die Menschen? Frieden und Arbeit, das ist alles.»
Auf ein baldiges Kriegsende und dass «alles wieder so wird wie früher», hofft auch der Zürcher Landwirt Bänninger. Er würde sich insbesondere auch über die Reisegruppen aus der Schweiz freuen, die früher jährlich den Betrieb westlich von Moskau besuchen kamen. «Das waren schöne Zeiten.» Jetzt kommen fast keine Besuche mehr aus der Schweiz.