Gerade ist viel die Rede von Verhandlungen um Gaza und um die Ukraine. Was es für Waffenruhen, Waffenstillstände und Frieden braucht, weiss Nomi Bar-Yaacov aus Erfahrung im Nahen Osten, auf dem Balkan, für die UNO und andere Organisationen. Ebenfalls über Verhandlungserfahrung verfügt Thomas Greminger, der Direktor des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik GCSP.
Während Monaten fanden nun im GCSP diskrete, inoffizielle Gespräche zum Ukraine-Konflikt statt, mit russischer Beteiligung. «Man muss unbedingt», so Greminger, «sämtliche Kanäle nützen – offizielle, halboffizielle und inoffizielle.» Der Vorteil von «Track-Two»-Gesprächen ausserhalb der offiziellen Regierungsdiplomatie sei, dass sich Regierungen allfällige Erfolge ans Revers heften könnten, aber geht es schief, können sie sagen, sie hätten nichts damit zu tun.
Greminger bedauert, dass man derzeit in Bundesbern Paralleldiplomatie geringschätzt: «Das Aussenministerium setzt aktuell fast nur auf offizielle Verhandlungen, die unter Schweizer Flagge laufen.»
UNO spielt keine Rolle
Auffallend ist bei den Verhandlungen über die Ukraine und im Nahen Osten, dass die UNO praktisch keine Rolle spielt. «Ohne grundlegende Reform des Sicherheitsrates ist sie ausserstande, Druck auf die jeweils verfeindeten Akteure zu machen», sagt Nomi Bar-Yaacov. Die UNO mit ihren Blauhelmtruppen besässen das Instrument, einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine durchzusetzen. Doch Blauhelme werden dafür kaum zum Zug kommen. Es laufe eher auf eine «Koalition der Willigen» hinaus, gebildet aus Europäern und allenfalls gar Chinesen.
Sowohl im Ukraine- als auch im Gaza-Konflikt sind die USA zentral. «Die Regierung von Donald Trump habe den Impuls für Ukraine-Verhandlungen gegeben», attestiert ihr Greminger: «Es ist überfällig, dass Washington und Moskau wieder direkt miteinander sprechen.»
Allerdings hätten die USA gravierende Fehler begangen. Ihre Verhandlungsstrategie sei diffus. Ihre einseitigen Zugeständnisse an Russland seien unprofessionell. Und ihr Bestreben, ausgerechnet die direkt betroffenen Europäer nicht mit am Tisch zu haben, sei kurzsichtig.
Vermittler muss Druck ausüben können
Im Gaza-Konflikt hält Nomi Bar-Yaacov der Trump-Regierung zugute, Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu zu einer ersten Waffenruhe mit der Hamas genötigt zu haben. Allerdings habe dieser Druck auf die Regierung in Jerusalem schon wieder aufgehört, weshalb der Gaza-Krieg in die nächste Runde geht. Doch ohne die USA und ihren Einfluss auf Israel gehe im Nahen Osten nichts.
Dies zeigt: Als Vermittler taugen nicht primär Staaten mit guten Absichten, sondern solche, die Druck auf einen oder mehrere Akteure erzeugen können. Für Thomas Greminger ist ausserdem zwingend, bei Verhandlungen sämtliche Akteure mit Einfluss vor Ort einzubinden, selbst gewalttätige Milizen und gar Terrororganisationen: «Es ist zwar unangenehm, aber unvermeidlich, damit diese Gruppierungen diplomatisch aufzuwerten.» Friedensdiplomatie ist ein nobles Unterfangen, aber offenkundig mitunter auch ein schmutziges.
Vermittler brauchen Geduld, Hartnäckigkeit, Frustrationstoleranz, oft jahrelang. Deshalb sagt Nomi Bar-Yaacov: «Ich verliere nie die Hoffnung. Verlöre ich sie, wäre ich nicht in diesem Geschäft.»