Warum spielt die Schweiz ihr Spiel gegen Israel gerade in Ungarn? Ungarn lässt immer wieder Fussballmannschaften bei sich spielen, die aus Ländern kommen, in denen aus Sicherheitsgründen nicht gespielt werden kann. Dahinter steckt, dass Ungarns Regierungschef Viktor Orbán einerseits den Fussball genuin liebt. Und andererseits, dass Orbán weiss, wie sehr Fussball auch Politik ist. Orbán zeigt mit dem Angebot an Israel, in Ungarn zu spielen, dass er das Land unterstützt.
Gleichzeitig investiert Orbán viel Geld in moderne Fussballanlagen. Und beim Bau bekommen immer wieder seine Getreuen Zuschläge, bereichern sich an den neuen Stadien, die zum Teil mit EU-Geldern entstehen. Orbán unterstützt den Fussball auch in Ungarns Nachbarländern, etwa in Rumänien und der Slowakei – und zwar in Gebieten, wo Ungarischsprachige leben. Damit bindet er die ungarischen Minderheiten im Ausland an sich.
Wie sieht es aus mit Antisemitismus in Ungarn? Ungarn hat die grösste jüdische Gemeinschaft im Osten der Europäischen Union. Seit der Krieg in Gaza angefangen hat, wurde kein einziger Übergriff auf Jüdinnen und Juden verzeichnet. Die ungarische Regierung verbietet propalästinensische Demonstrationen und es gibt kaum muslimische Eingewanderte im Land. Man kann sagen, dass Jüdinnen und Juden in Ungarn sicherer sind als in so manchem westeuropäischen Land.
Das war nicht immer so, im Zweiten Weltkrieg hatte Ungarn mit den sogenannten Pfeilkreuzlern eine für jüdische Menschen besonders mörderische politische Kraft. Ungarns heutiger Regierungschef Viktor Orbán ist kein Antisemit, aber wenn ihm das politisch nützt, dann flirtet er mit antisemitischen Klischees. So hat er den jüdisch-ungarisch-amerikanischen Financier George Soros zu seinem Lieblingsfeind erklärt, der angeblich alles unterwandere in Ungarn.
Warum spielt die Schweiz nicht in der Hauptstadt Budapest gegen Israel, sondern im 2000-Einwohner-Ort Felcsut? Das Dorf Felcsut in der Nähe von Budapest ist der Ort, in dem Ungarns Regierungschef Viktor Orbán einen grossen Teil seiner Kindheit verbrachte. Es ist ein eher ärmliches Dorf, hat aber ein grosses Fussballstadion mit Platz für 4000 Zuschauer.
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Bild 1 von 2Legende: Das Stadion in Felcsut ist verziert mit Türmchen und Zinnen und berührt fast Orbáns Haus gleich daneben. Getty Images/Chris McGrath
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Bild 2 von 2Legende: In der schmucken Pancho Arena kann die Schweizer Nati heute die Qualifikation für die Europameisterschaft in Deutschland nächstes Jahr klarmachen. Imago Images/Ludvig Thunman
In Felcsut gibt es auch eine Schmalspurbahn, die zwischen Stadion und Wald hin und her fährt, und einen künstlichen See, teilweise finanziert mit EU-Geldern für Tourismusförderung. Dabei gibt es dort keine Touristen. Felcsut ist ein gutes Beispiel dafür, wie in Ungarn Sport, Geld und Politik zusammengehen.
Gibt es auch Kritik an der ungarischen Sportförderung? Die gibt es, oppositionelle Parteien zum Beispiel kritisieren sie, sagen auch, es werde zu viel Geld in Sport investiert, anderes wäre dringender. Aber die Opposition ist so schwach und zerstritten, dass sie kaum gehört wird.
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Bild 1 von 2Legende: Männer mit Sendungsbewusstsein: Der damalige Fifa-Präsident Sepp Blatter (links), Ungarns Premier Viktor Orbán (Mitte) und Fussballlegende und Funktionär Michel Platini (rechts) 2012 beim Fifa-Kongress in Budapest. Imago Images/Ulmen
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Bild 2 von 2Legende: Auch bei der Fussball-WM 2022 in Katar sonnte sich Viktor Orban im Licht des Weltfussballs: Hier mit Fifa-Präsident Gianni Infantino beim Halbfinale zwischen Kroatien und Argentinien. Keystone/EPA/Ronald Wittek
Kommt dazu, dass die Medienmacht der ungarischen Regierung erdrückend ist. Es gibt auch Nichtregierungsorganisationen, die Korruptionsfälle rund um den Sport aufdecken. Aber dies führt fast nie zu ernsthaften Konsequenzen wie Rücktritten, zu fest sitzt das System Orbán im Sattel.