- Die 27 EU-Staaten haben die Leitlinien für die Austrittsverhandlungen mit Grossbritannien beschlossen.
- Finanzielle Ansprüche an London werden auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt.
- Zentraler Punkt ist die Forderung, in zwei Phasen zu verhandeln. Erst müssten Fragen des Austritts ausreichend geklärt sein, bevor die EU mit Grossbritannien über die künftige Zusammenarbeit verhandle.
- Zehn Monate nach der Entscheidung der Briten für den EU-Austritt liegen die Forderungen beider Seiten auf dem Tisch.
Man habe ein «entschiedenes und faires» Mandat beschlossen, twitterte Tusk während eines EU-Gipfels in Brüssel. Die eigentlichen Verhandlungen sollen nach Angaben von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aber erst nach den britischen Unterhauswahlen am 8. Juni beginnen. Der EU-Austritt Grossbritanniens soll 2019 vollzogen werden.
Die britische Premierministerin Theresa May hat Ende März gesagt, wie sie sich die Trennung von Europäischen Union vorstellt. Nun beschliessen die 27 EU-Staaten ihre Position für die Verhandlungen, die wohl nach der britischen Parlamentswahl im Juni ernsthaft beginnen. Einen Schluss hat die EU bereits gezogen: Der Brexit wird schwierig und schmerzhaft, ein Abenteuer «ohne Gewinner».
Was will die EU?
Merkel hat es in ihrer Regierungserklärung zum Brexit klar gesagt: Es geht jetzt für die EU vor allem um die eigenen Interessen, die ihrer Bürger und Unternehmen. In den Leitlinien, die beim Sondergipfel am Samstag in Brüssel zur Debatte stehen, nennt die EU zwei Punkte, die zuerst geklärt werden sollen: Rechtssicherheit für die 3,2 Millionen EU-Bürger in Grossbritannien und die 1,2 Millionen Briten in der EU, die ihren Status behalten sollen. Und eine «Finanzvereinbarung» über Verpflichtungen, die Grossbritannien während der EU-Mitgliedschaft eingegangen ist. Sieht die EU bei beiden Punkten ausreichend Fortschritte, will sie anschliessend über die künftigen Beziehungen reden, also unter anderem über Handel und Zölle.
Was will Grossbritannien?
Premierministerin May hat sich dagegen entschieden, nach dem EU-Austritt ihres Landes noch Zugang zum europäischen Binnenmarkt anzustreben. Denn dafür hätte sie Freizügigkeit für EU-Bürger akzeptieren müssen, was die Brexit-Befürworter keinesfalls wollten. Stattdessen sprach sie in ihrem Austrittsgesuch Ende März von einer «tiefen und besonderen Partnerschaft» mit der EU und von einem «ehrgeizigen Freihandelsabkommen». Dies will sie gleichzeitig mit den Bedingungen der Trennung klären. «Wir glauben, dass es nötig ist, uns über die Bedingungen unserer künftigen Partnerschaft zusammen mit denen unseres Rückzugs aus der EU zu verständigen», heisst es in ihrem Austrittsgesuch.
Worüber wird es Streit geben?
Dies widerspricht klar der Linie der EU, die in zwei Phasen verhandeln und selbst die Ansagen machen will. Doch in diesem Punkt gibt sich die EU-Seite knallhart. Auch von den finanziellen Forderungen an Grossbritannien wollen die anderen EU-Länder keinesfalls abgehen. Es geht um Zusagen für den EU-Haushalt, für Fonds, Kreditprogramme, Pensionen für EU-Beamte und etliches mehr, die noch weit in die Zukunft reichen. Offiziell nennt die EU keine Summe, liess aber die Zahl 60 Milliarden Euro kursieren. Brexit-Befürworter in Grossbritannien wollen hingegen nichts mehr an die EU zahlen. «Irgendwo zwischen null und 60 Milliarden wird es am Ende dann liegen», orakelt der CDU-Europapolitiker David McAllister. Das dürfte ein grosser Streitpunkt werden. Daneben gibt es Dutzende weitere vom Umzug der EU-Behörden bis zur Zukunft Gibraltars.
Wir sollten zusammenarbeiten, um die Brüche so klein wie möglich zu halten und so viel Rechtssicherheit wie möglich zu schaffen.
Wo liegen Gemeinsamkeiten?
Zwei Prinzipien halten beide Seiten hoch. Auch May schlug in ihrem Scheidungsschreiben eine «frühe Vereinbarung» über die künftigen Rechte der EU-Bürger in ihrem Land und der Briten in der EU vor. Und sie bekennt sich wie die EU-Seite zu dem Ziel: «Wir sollten zusammenarbeiten, um die Brüche so klein wie möglich zu halten und so viel Rechtssicherheit wie möglich zu schaffen.» Beide Seiten denken an ihre Unternehmen und ihre Volkswirtschaften. Grossbritannien liefert 44 Prozent seiner Exporte in die EU, die EU immerhin 9,5 Prozent nach UK.
Wie sind die Chancen auf Einigung?
Nicht schlecht. Zwar sagen beide Seiten, es gebe keine Garantie, dass innerhalb der vorgegebenen Frist von zwei Jahren eine Vereinbarung steht. Doch malen sich beide Seiten einen «harten Brexit» ohne Anschlussregelungen in düstersten Farben. «Das wäre schlecht für uns alle», sagt ein hoher EU-Beamter. Und May: «Wir müssen deshalb hart daran arbeiten, ein solches Ende zu vermeiden.»