- Trotz Massendemonstrationen in Israel treibt die Regierung Netanjahu ihre Pläne zur Schwächung der Justiz voran.
- Am Montag soll ein erster Gesetzesentwurf dem Parlament vorgelegt werden.
- Die Protestbewegung droht mit einem «nie dagewesenen» Widerstand.
Die Demonstrationen gegen die von der israelischen Regierung geplante Justizreform verstärken sich. Vor einer entscheidenden Abstimmung im Parlament haben sich am Samstag landesweit rund 360’000 Menschen zu Protesten versammelt. Allein in Tel Aviv waren es Medienberichten zufolge mehr als 140’000 Demonstrierende.
Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte im März die Reformpläne nach massivem Druck zunächst gestoppt, vor drei Wochen jedoch in einer abgeschwächten Form wieder auf die politische Agenda gesetzt.
Einschränkung des Höchsten Gerichts geplant
Am Montag soll ein Teil der Justizreform in erster Lesung dem Parlament vorgelegt werden. Dabei soll es dem Höchsten Gericht in Zukunft nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung als «unangemessen» zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und willkürliche Besetzungen von hochrangigen Posten begünstigen könnte.
Anfang Jahr hatte das Höchste Gericht die Ernennung des Vorsitzenden der Schas-Partei, Arie Deri, zum Innenminister wegen dessen krimineller Vergangenheit als «unangemessen» eingestuft. Daraufhin musste Netanjahu seinen Vertrauten Deri entlassen.
Weil Netanjahus religiös-nationalistische Regierungskoalition im Parlament eine Mehrheit hat, wird damit gerechnet, dass das Gesetz bis Ende Juli gebilligt wird. Ministerpräsident Netanjahu, der wegen Bestechungsvorwürfen angeklagt ist, spricht von einem linksgerichteten und elitären Obersten Gerichtshof, der gezügelt werden müsse.
Präsident Herzog verlangt Dialog
Israels Präsident Itzhak Herzog rief derweil alle Parteien auf, wieder in einen Dialog zu treten. Nicht miteinander zu reden, sei «ein Fehler von historischem Ausmass». Eine Einigung, auch im Streit über die sogenannte Angemessenheitsklausel, sei seiner Ansicht nach machbar. Präsident Herzog hatte Ende März Gespräche zwischen Regierung und Opposition vermittelt. Diese brachten jedoch keine Einigung.
Der frühere Regierungschef Ehud Barak schrieb in einem Beitrag in der Zeitung «Haaretz», Israel befinde sich in der schwersten Krise seiner Geschichte und warnte davor, dass das Land kurz davorstehe, zu einer «De-facto-Diktatur» zu werden.
Massiver Widerstand angekündigt
Die Verabschiedung der Justizreform könnte sich auch auf die Sicherheit Israels auswirken. Hunderte Reservisten des Militärs drohen in dem Fall, ihren Dienst nicht mehr anzutreten. Aus Protest versammelten sich Dutzende von ihnen in der Nacht zum Sonntag vor dem Haus von Verteidigungsminister Joav Galant und forderten ihn auf, sich gegen die Pläne zu stellen.
Die Organisatoren der Proteste riefen für Dienstag zu einem «Tag der Störung» auf und drohten mit einem «nie dagewesenen Widerstand». Auch am Flughafen bei Tel Aviv soll es eine Kundgebung geben. Die aktuelle Protestbewegung ist eine der grössten in der Geschichte Israels.
Viele Unternehmen in der Hightechbranche, die in Israel als treibender Motor der Wirtschaft gilt, kündigten an, ihren Angestellten für die Demonstrationen freizugeben.