Eltern, die ein Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verlieren, können in Neuseeland neu drei Tage bezahlte Elternzeit beziehen. Davor galt diese Regelung erst nach der zwanzigsten Schwangerschaftswoche.
Der Beschluss im Parlament in Wellington fiel einstimmig. «Das zeigt einmal mehr, dass Neuseeland weltweit führend bei der Einführung von progressiver und mitfühlender Gesetzgebung ist», sagte die Labour-Abgeordnete Ginny Andersen, die die Vorlage initiiert hatte.
Das Gesetz erlaube es Frauen und ihren Partnern, den Schicksalsschlag zu verarbeiten, so Andersen weiter. In Neuseeland hätte eine von vier Frauen eine Fehlgeburt in ihrem Leben. «Ihre Trauer ist keine Krankheit, es ist eine Tragödie. Und diese zu verarbeiten, braucht Zeit.»
Bisher hätten Eltern Krankheitstage beziehen müssen, wenn sie sich vom Schock einer Still- oder Fehlgeburt hätten erholen und ihr totes Kind hätten begraben wollen, berichtet SRF-Ozeanien-Korrespondent Urs Wälterlin.
Tradition bei Stärkung der Frauenrechte
Finanziert wird die Elternzeit im Falle des tragischen Verlusts eines Kindes vom Arbeitgeber. Begeisterungsstürme habe die Vorlage in der Wirtschaft zwar nicht ausgelöst, sagt Wälterlin. «Aber wenn man es kalt kalkulieren will, kann sich das wirtschaftlich ‹lohnen›.»
«Denn die drei Tage geben den Betroffenen Zeit, sich zu sammeln und den Trauerprozess zu beginnen. Das führt dazu, dass sie danach vielleicht etwas ruhiger und gefasster wieder zur Arbeit zurückkehren können – und damit auch wieder leistungsfähiger sind.»
Das Gesetz reiht sich ein in eine lange Tradition. So war Neuseeland 1893 das erste Land der Welt, das das Wahlrecht für Frauen einführte. Letztes Jahr verabschiedete Neuseeland ein historisches Gesetz zur Entkriminalisierung der Abtreibung.
Die regierende Mitte-links-Partei Labour wird angeführt von Premierministerin Jacinda Ardern. Sie gilt weltweit als Vorkämpferin für Gleichberechtigung und Frauenrechte. «Auch das Kindeswohl und das Wohl der Familien insgesamt steht ganz oben auf ihrer Prioritätenliste», sagt Wälterlin. Auch, weil Neuseeland ein grosses Problem mit Familienarmut habe.
Etwa ein Viertel der neuseeländischen Kinder leidet an Unterversorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Essen, Kleidung und Unterkunft. Besonders betroffen sind die Maori, die Ureinwohner Neuseelands. Insofern sei auch das neueste Gesetz ein Versuch, die neuseeländischen Familien auf ein stärkeres Fundament zu stellen, bilanziert der Korrespondent.