Mit seiner Wirtschaftspolitik sorgt Donald Trump für Nervosität bei Unternehmen und an den Märkten. Zudem bezichtigen Kritiker den US-Präsidenten des Klientelismus. Im Raum steht der Vorwurf, Trump habe die Märkte manipuliert, damit sich seine Freunde bereichern können. Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann widerspricht: Für ihn ist Trump ein Überzeugungstäter.
SRF News: Betreibt Trump tatsächlich Klientelpolitik?
Tobias Straumann: Es gibt zwar Anzeichen dafür, dass Leute aus seiner Entourage profitiert haben. Das dürfte aber nicht Trumps Hauptmotiv sein. Er ist im Innersten davon überzeugt, dass die amerikanische Wirtschaft mit Zöllen gerettet werden kann. Diese Überzeugung hegt er schon seit den 80er-Jahren. In seiner zweiten Amtszeit setzt er sie nun viel aggressiver um als in der ersten.
Die europäische Öffentlichkeit ist zum Teil miserabel über die amerikanische Politik informiert.
Auch damals hat er einen Zollkrieg mit China begonnen. Dieser war aber relativ harmlos. Trump hat sich schnell mit der chinesischen Führung zusammengesetzt und ist grösstenteils wieder zurückgekrebst. Diesmal ist Trump viel radikaler – und er verschont auch befreundete Staaten nicht.
Zollpolitik ist das eine, Steuerpolitik das andere: Auch hier ist von Klientelismus die Rede.
Auch hier greifen die Vorwürfe viel zu kurz. Man schätzt vollkommen falsch ein, in welche Richtung die Reise geht. Es ist sicher nicht auszuschliessen, dass Trumps Leute auch hier profitieren. Seine Überzeugung ist aber, dass durch Steuersenkungen so viel Wachstum erzeugt wird, dass daraus ein ausgeglichenes Budget resultiert.
Das halte ich für ebenso falsch wie seine Zollpolitik. Ich glaube auch nicht, dass Trump mit Zöllen genug Einnahmen generieren kann, um die drohenden Defizite ausgleichen. Er vertritt wirtschaftspolitische Konzeptionen, die man nicht teilen muss. Er ist aber zutiefst davon überzeugt, dass sie funktionieren werden.
Sie erkennen also keine «Vetterliwirtschaft» in Trumps Wirtschaftspolitik?
Sie steht nicht im Zentrum seiner Politik. Trump hat vielleicht anders als andere Präsidenten keinerlei Probleme damit, wenn Leute aus seinem engeren Umfeld direkt profitieren. Er hat hier überhaupt keine Berührungsängste. Das ist aber nicht das Entscheidende, wenn man verstehen will, was im Moment in Washington abläuft.
Trump hat tiefsitzende Überzeugungen – und in der Politik sind diese viel wichtiger als kurzfristige Bereicherungsstrategien.
Worauf stützt sich Ihre Ansicht?
Warum sollte Trump einen Handelskrieg mit China anzetteln, wenn seine Entourage von dem Land profitieren sollte? Tesla-Chef Elon Musk hat ein Werk in China, warum sollte Trump ihn so schädigen? Die europäische Öffentlichkeit ist zum Teil miserabel über die amerikanische Politik informiert: Man zieht die naheliegendste Erklärung heran und unterschätzt völlig, welche Diskussionen dort geführt werden.
Wie erklären Sie sich dann die Nähe der Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley zu Trump?
Sie sind Opportunisten, und Unternehmen sind oft opportunistisch aufgestellt. Schliesslich müssen sie immer wieder dafür sorgen, dass sie auch in einem neuen politischen Umfeld überleben. Was zuletzt an der Börse passiert ist, war überhaupt nicht im Interesse der Tech-Milliardäre. Sie sind alles andere als begeistert von Trumps Zollpolitik.
Sie haben darauf gehofft, dass er aus Rücksicht auf die Unternehmen und Börse nie zu diesem Zollhammer greifen würde. Trump hat es trotzdem gemacht. Er ergreift radikale Massnahmen, die wirtschaftlich enorm schädlich für die USA sind. Trump hat tiefsitzende Überzeugungen – und in der Politik sind diese viel wichtiger als kurzfristige Bereicherungsstrategien.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.