Bis Ende Mai sind die Kündigungen ausgesprochen. Weil zudem Vakanzen nicht besetzt und befristete Verträge nicht verlängert werden, werden insgesamt 3000 Stellen gestrichen. Seit 2012 hat sich das Budget verdoppelt. Nun kann das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) das Rekordbudget von 2.8 Milliarden Franken nicht finanzieren.
«Das war alles gut gemeint. Aber eben: keine Grenzen. Man beendete nie ein Programm, sondern wuchs immer weiter und merkt am Schluss, dass man das Geld dafür nicht hat», sagt IKRK-Buchautor David Forsythe. Der amerikanische Professor sowie von SRF News kontaktierte Mitarbeitende zeichnen ein Bild einer Organisation, die den Fokus verloren hat.
Anders als anderen Nichtregierungsorganisationen wird dem IKRK im humanitären Völkerrecht das Recht zugesprochen, die Opfer von bewaffneten Konflikten zu schützen. Das IKRK agiere aber an Orten mit strittigem Konfliktbezug, kritisieren Insider. «Das IKRK weiss konzeptuell nicht, wo seine Rolle endet und normale Entwicklungszusammenarbeit beginnt», sagt David P. Forsythe. Als Beispiele genannt werden die Mobilkommunikation im Bereich Migration oder Wirtschaftshilfe an befriedeten Orten.
IKRK verteidigt sein Wachstum
Das IKRK erklärt das Wachstum mit den deutlich häufigeren, tieferen und längeren Konflikten. Zuletzt habe der Ukrainekrieg noch einmal deutlich mehr Bedürfnisse geschaffen, sagt der Operative Direktor Martin Schüepp.
Die Inflation habe die Hilfsgüter verteuert und die finanzielle Not der Opfer verschlimmert. Zudem seien die Zuwendungen der Geberländer zurückgegangen, weshalb nun ein Finanzierungsloch von 430 Millionen Franken resultiere, so Schüepp.
Offener Brief von Mitarbeitenden
Doch auch zahlreiche IKRK-Mitarbeitende erachten die Finanzprobleme als teilweise hausgemacht. In einem Brief an den Generaldirektor forderten 2500 Mitarbeitende im Frühjahr, dass die Budgetverwendung der vergangenen zehn Jahre kritisch aufgearbeitet werde. Man sei enttäuscht vom Management und desillusioniert.
Der Wachstumskurs wurde bereits in den vergangenen Jahren intern kritisiert, wie verschiedene Quellen gegenüber SRF News bestätigen. Doch dies sei an der Führung abgeprallt.
Redimensionierung nötig
Peter Maurer, IKRK-Präsident in den Wachstumsjahren von 2012 bis 2022, wollte sich gegenüber SRF News nicht äussern. Nun sagt der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats Franz Grüter, die neue Führung habe verstanden, dass das IKRK redimensionieren müsse – wie andere grosse Institutionen, die über die Jahre «Speck angesetzt» haben.
Nun müssen wir mehr mit weniger erledigen und effizienter werden.
Die Bedürfnisse seien gewachsen, rechtfertigt sich IKRK-Vizepräsident Gilles Carbonnier. «Nun müssen wir mehr mit weniger erledigen und effizienter werden», ergänzt er die Kritik, die er ernst nehme. «Wir priorisieren das, womit wir die grösste Wirkung erzielen können.» Man wolle sich auf den Schutz von Personen in umkämpften Gebiete konzentrieren. Und auf das, was niemand sonst tun kann, etwa Gefangenenbesuche.