In russischen Waffen steckt westliche Technologie. Das sagen Militärfachleute anhand von untersuchten Trümmerteilen. Auch in der Rakete, die diese Woche ein Kinderspital in Kiew getroffen hat, wurden westliche Hightech gefunden, grösstenteils aus den USA, aber auch aus der Schweiz. Fabian Hoffmann, Experte für Militär-Strategien und -Technologien an der Universität Oslo ordnet ein.
SRF News: Wie gelangen Elektronikteile – wie etwa Computer-Chips zur Steuerung von Marschflugkörpern oder Drohnen – trotz Ausfuhrbeschränkungen nach Russland?
Fabian Hoffmann: Das westliche Sanktionsregime verbietet eigentlich diese Art von Exporten. Auch die Schweiz hält sich daran. Allerdings kommen diese Produkte zuerst in Drittländer, zum Beispiel die Türkei, Malaysia, Thailand oder China und von dort aus nach Russland.
Funktionieren die Sanktionen also nicht?
Das kommt darauf an, ob man das Glas halb voll oder halb leer sieht. Mit dem Sanktionsregime hat der Westen erreicht, die Lieferketten für Hightech-Produkte nach Russland komplett zu unterbrechen. Russland muss diese Lieferketten erst wieder aufbauen. Und wenn die Lieferketten nicht mehr von A nach C, sondern erst von A nach B und danach zu C reichen, dann macht das die Sache deutlich schwieriger. Ausserdem wollen die einzelnen Akteure auch ein bisschen etwas vom Kuchen abbekommen. Das verteuert das Ganze. Russland zahlt jetzt im Prinzip mehr Geld für längere Lieferzeiten und teilweise auch weniger hochwertige Produkte. Was man aber nicht geschafft hat, ist diese Lieferungen komplett zu unterbinden – und da muss man schon sagen, dass diese Sanktionen nicht so funktionieren, wie man das will.
Ich denke, dass es durchaus in der Verantwortung der Lieferanten, aber auch des Staates ist, dass man schaut, wer die Endnutzer sind.
Entdeckt wurden auch Teile einer Schweizer Firma. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verneint, dass die Ausfuhrkontrolle versagt habe, denn es handle sich um Massenprodukte, die vor allem auch für zivile Anwendungen verwendet werden. Überzeugt Sie diese Argumentation?
Teils, teils. Man will jetzt natürlich nicht den Handel mit Drittländern komplett einstellen, nur weil es eine Gefahr gibt, dass diese Komponenten nach Russland kommen könnten. Es ist für den Hersteller nicht immer einfach zu verstehen, wo diese Komponenten tatsächlich landen. Allerdings denke ich, dass es durchaus in der Verantwortung der Lieferanten, aber auch des Staates ist, dass man schaut, wer die Endnutzer sind. Und das heisst dann durchaus auch, dass man hier und da jemand zurechtweist, der sich nicht an die Regeln hält.
Also Sanktionen auch gegenüber China oder der Türkei beispielsweise.
Ja. Das würde es auch effektiver machen, wenn man sich sagt: ‹Wir verhängen Sanktionen, wenn sich bestimmte Akteure nicht daran halten.› Ob das jetzt direkt der Staat selbst sein muss, daran lässt sich zweifeln.
Fast jedes Waffensystem, das grösser als ein Gewehr ist, hat eine digitale Komponente. Da werden also irgendwo immer Computerchips drin sein.
Für welche Waffen ist Russland besonders angewiesen auf Hightech aus dem Westen?
Fast jedes Waffensystem, das grösser als ein Gewehr ist, hat eine digitale Komponente. Da werden also irgendwo immer Computerchips drin sein.
Bei diesen Computerchips, die man entdeckt hat, handelt es sich da um ältere Modelle oder sind leistungsfähigere Chips der neuesten Generation in russischen Waffen zu finden?
Das sind eher ältere Modelle, die eigentlich eher für den zivilen Markt zugelassen sind oder dafür gebaut wurden. Sie sind nicht mehr so gut geschützt und funktionieren auch nicht mehr so richtig, wie sie eigentlich sollen. Und so kommt ein Marschflugkörper eventuell nicht dort an, wo er hin soll.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.