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Merkel verlangt Stopp der türkischen Offensive in Nordsyrien
Aus Rendez-vous vom 17.10.2019. Bild: Keystone
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Waffenexporte in die Türkei Handelt Deutschland scheinheilig?

«Das ist ein humanitäres Drama mit grossen geopolitischen Folgen. Deshalb wird die Bundesregierung unter den jetzigen Bedingungen auch keine Waffen an die Türkei liefern.» Es waren unmissverständliche Worte an die Adresse der Türkei, die die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag äusserte. Die Türkei destabilisiere mit ihrem Vormarsch Syrien, so Merkel. Sie rief den Nato-Partner erneut dazu auf, den Vormarsch in Nordsyrien zu stoppen.

In der Türkei fahren mehr deutsche Panzer herum als in Deutschland selber.

Eine bemerkenswerte Aussage vor dem Hintergrund der neuesten Zahlen zu den Deutschen Kriegswaffenexporten. Laut der Deutschen Presse-Agentur hat Deutschland der Türkei in den ersten acht Monaten 2019 Kriegswaffen für 250.4 Millionen Euro geliefert. Das ist bereits jetzt der höchste Jahreswert seit 2005, obwohl noch vier Monate fehlen.

«Merkels Ankündigung zu spät»

«Die türkische Offensive in Nordostsyrien wird mit deutschen Panzern gestartet», sagt Heribert Prantl, Inlandchef der «Süddeutschen Zeitung». Der deutsche Leopard-Panzer sei das Rückgrat der türkischen Armee, sie verfüge über 370 deutsche Kampfpanzer Leopard 2A4 und mehrere hundert Alte. Die Vielzahl an Panzern führe demnach zu einem Kuriosum: «In der Türkei fahren mehr deutsche Panzer herum als in Deutschland selber».

Merkels Ankündigung kommt für Prantl zu spät und hält nicht ein, was sie verspricht. Die Waffenlieferungen an die Türkei hätten ein ungeheures Ausmass angenommen. «Das ist eine Politik, die seit 1990 betrieben wird, damals noch von der Regierung Schröder/Fischer». Die Regierung Merkel habe sie bis heute fortgesetzt.

Die Türkei sei Partner in der Migrationspolitik und Deutschland habe Angst davor, dass die Türkei die Grenzen öffnet und die Flüchtlinge wieder nach Deutschland kommen.

Mann in Krawatte und Anzug.
Legende: Für die Ankündigungen des Deutschen Aussenministers Heiko Maas hat Erdogan nur Hohn und Spott übrig: «Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen». Keystone

Bundesaussenminister Heiko Maas hatte am Wochenende bekannt gegeben, dass wegen der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien gegen die Kurdenmiliz YPG keine Lieferungen von Rüstungsgütern mehr an den Nato-Partner genehmigt werden, die in dem Konflikt genutzt werden könnten. Andere Waffenexporte seien aber weiterhin erlaubt. Auch bereits genehmigte Geschäfte sind von dem Lieferstopp nicht betroffen.

Heribert Prantl

«Süddeutsche Zeitung»

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Der ausgewiesene Journalist Heribert Prantl ist Mitglied der Chefredaktion der «Süddeutschen Zeitung» und leitet das Ressort «Meinungen». Vor seiner Karriere im Journalismus war Prantl Rechtsanwalt.

Deutschland schaue die ganze Geschichte mit einer Mischung aus Ohnmacht und Wut an, so Prantl. Die Ankündigung von Maas würden einen halbherzigen Eindruck vermitteln und Erdogan nehme sie nicht ernst. «Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen», sagte Erdogan an Maas gewandt, und bezeichnete ihn als «politischen Dilettanten».

«Da kommt der deutsche Aussenminister – ein Mann, der seine Grenzen nicht kennt – und sagt: Wir werden der Türkei keine Waffen verkaufen. Wir sind am Ende», spottete Erdogan. Nicht er, sondern Maas, Deutschland, werde verlieren.

Panzer in Kriegsgebiet.
Legende: Die türkische Armee verfügt über viele Panzer aus Deutschland. Keystone

Was die Türkei zurzeit in Syrien macht, sei eine brutale menschenrechtswidrige Politik, die mit deutschen Waffen ausgeführt wird, so Prantl. Die Aktionen gegen die Kurden hätten schon im Jahr 2018 begonnen.

Echtes Waffenembargo und Wirtschaftssanktionen durchsetzen

Die Reaktion der Deutschen sei auch deswegen so sonderbar, weil man bei den Waffenlieferungen brutale Fehler gemacht habe. «Man hat keinerlei Einsatzbeschränkungen für die Panzerlieferungen gemacht. In der längeren Geschichte Deutschlands betrachtet war man froh, die Panzer loszuwerden».

Was müsste Deutschland aus Sicht des Journalisten anders machen? «Man müsste ein echtes Waffenembargo und Wirtschaftssanktionen durchsetzen. All das traut man sich aber nicht, weil die Rolle der Türkei im Migrationsgetriebe zu heikel ist.»

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