Er sagt der bisherigen argentinischen Politik den Kampf an: Javier Milei. «Ich kandidiere nicht, um Lämmer anzuführen – ich kandidiere, um Löwen aufzuwecken.» Für solche Aussagen erhält Milei in Argentinien derzeit tosenden Applaus. Der 52-jährige Ökonom und Populist tritt gerne in der Lederjacke auf, als wäre er ein Rockstar. Für seine Fans schrieb Milei eine libertäre Hymne namens Löwen-Marsch, die «Marcha del león». «Wie Löwen kämpfen wir für eine besser Zukunft Argentiniens», heisst es darin.
Mileis Ideen sind radikal und rechts aussen. Er bezeichnet sich als Anarcho-Kapitalist und träumt von einem Argentinien mit möglichst wenig Staat, wo der Markt alles bestimmt, sagt der argentinische Publizist und Historiker Pablo Stefanoni: «Milei trat zuerst im Fernsehen als Ökonom auf, mit einem libertären Diskurs. Er sagte: ‹Die argentinische Zentralbank gehört in die Luft gesprengt.›»
Milei will den US-Dollar als offizielle Währung in Argentinien einführen. Kritiker befürchten dadurch eine stärkere Abhängigkeit von den USA. Steuern zahlen ist für Milei ein Verstoss gegen die Menschenrechte. Auch sagte er einmal, er habe die Mafia lieber als den Staat, weil die Mafia den Wettbewerb suche. Im Staat sieht er «das absolute Übel».
Mit Rockmusik zum Präsidentenamt?
Trotzdem kandidiert Milei als Regierungschef ebendieses Staates. Ihm gelang dabei ein überraschender Erfolg: Bei den Vorwahlen im August holte er rund 30 Prozent der Stimmen – mehr als jeder andere Kandidat – und gilt damit als Top-Favorit für die Wahlen im Oktober.
Argentiniens neue Rechte
«Milei gelang es, den Frust der Argentinierinnen und Argentinier zu nutzen. Viele denken sich: ‹Nichts von dem, was wir ausprobiert haben, hat der Wirtschaft geholfen, also braucht es etwas Neues›», sagt Stefanoni. Überspitzt könne man sagen, Milei sei Argentiniens neue Rechte. «Wie Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien oder Vox in Spanien.»
Doch anders als Trump mit den Republikanern politisiert Milei in Argentinien nicht an der Spitze einer etablierten Partei: Die «La Libertad Avanza» ist eine neue Bewegung ohne Erfahrung und Struktur. Das macht Milei unberechenbar. Sein Feindbild sind die etablierten Parteien – er bezeichnet sie als politische Kaste. Das zieht: «Wir haben es geschafft, eine Alternative zur etablierten Politik zu schaffen – wir werden aufräumen mit der parasitären Kaste, die dieses Land überschwemmt», sagt Milei.
Mileis Anhänger sind bereit, über solche Aussagen hinwegzusehen. «Die Leute stimmen für ihn, weil sie auf einen Neuanfang hoffen, nach Jahren der Krise, obschon völlig unklar ist, wie der politische Outsider Milei ohne Allianzen im Parlament überhaupt regieren will», bringt Experte Pablo Stefanoni das Phänomen Javier Milei auf den Punkt.
Für die anderen beiden Kandidatinnen und Kandidaten wird es schwierig, Mileis Kampagne etwas entgegenzusetzen: Patricia Bullrich der Mitte-rechts-Partei Propuesta Republicana politisiert vor allem mit Sicherheitsthemen und vertritt dort ähnliche Positionen wie Milei.
Sergio Massa, der Kandidat des Mitte-links-Bündnisses, hat zwar Erfahrung in der Regierungsarbeit, sein grösstes Problem ist aber, dass er der aktuelle Wirtschaftsminister ist. Eine Stimme für ihn ist somit eine Stimme für eine Kontinuität, von der in Argentinien angesichts der hohen Inflation immer mehr genug haben.