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Wahlen in Grossbritannien «Ein wenig glanzvoller Sieg für die Tories ist wahrscheinlich»

Der Grossbritannien-Kenner Gerhard Dannemann glaubt, dass sich Premier Theresa May knapp wird halten können.

SRF News: Herr Dannemann: Sie sagen, das entscheidende Thema für die britischen Wählerinnen und Wähler sei heute nicht der Brexit oder der Terror, sondern die Sozialpolitik. Weshalb?

Gerhard Dannemann

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Der deutsche Jurist Gerhard Dannemann ist Seit 2003 Professor für britisches Recht, Wirtschaft und Politik an der Humboldt-Universität in Berlin. 2010/2011 leitete er das dortige Grossbritannien-Zentrum.

Gerhard Dannemann: Das umstrittenste Thema im Wahlkampf waren tatsächlich die von den Tories ins Spiel gebrachten massiven Kürzungen von Leistungen im Sozialbereich. Der Vorschlag sah insbesondere vor, dass Demenzkranke ihr gesamtes Vermögen aufbrauchen müssen, bevor sie staatliche Pflegeleistungen erhalten. Das hat sogar die den Konservativen eher zugeneigte «Financial Times» kritisiert, indem sie die Idee auf der Titelseite als «Demenzsteuer» bezeichnete. May nahm den Vorschlag umgehend zurück und definierte einen maximalen Vermögensbetrag, ab dem staatliche Leistungen bezogen werden können. Die Kehrtwende Mays dürfte bei den Wählern aber nicht allzu gut angekommen sein.

Der Brexit spielt vor allem bei den bisherigen Ukip-Wählern eine Rolle, von denen die Tories hoffen, dass sie zu ihnen überlaufen.

Eigentlich sollte für May bei dieser Wahl der Brexit im Vordergrund stehen. Beschäftigt der Ausstieg aus der EU die Wähler nicht mehr?

Der Brexit beschäftigt die Briten schon – aber nicht so stark wie die Sozialleistungen und in letzter Zeit die Terroranschläge. Auch haben May und ihre Tories ausser Schlagworten nicht sehr viel Inhalt von ihren Vorstellungen des Brexits vorgelegt. Entsprechend entstand kaum eine inhaltliche Debatte über den EU-Ausstieg. Dieser spielt nur bei den bisherigen Ukip-Wählern eine Rolle, von denen die Tories hoffen, dass sie zu ihnen überlaufen.

Stichwort Sicherheitspolitik: Nach den drei Terroranschlägen der vergangenen Monate konnte sich eher die oppositionelle Labour-Partei profilieren. Wie wird sich das auf die Wahl auswirken?

Möglicherweise gar nicht so sehr. Der Terror beschäftigt die Menschen zwar stark, aber in der Diskussion hat man sich etwas verheddert. May hatte als Innenministerin ja zugelassen, dass im Rahmen von damaligen Budgetkürzungen die Polizei dramatisch um insgesamt 19'000 Stellen abgebaut wurde. Jetzt wirft Labour May vor, dies habe die Terroranschläge erst ermöglicht. May ihrerseits weist darauf hin, dass bei den Terrorabwehr-Kräften nicht gekürzt worden sei. Die Diskussion geht also hin und her – ohne dass eine Seite wirklich punkten konnte. Auch die Umfrageergebnisse haben sich nach den Anschlägen von Manchester und London am Wochenende nicht stark verändert.

Wie ist Ihre Prognose für diese Wahl?

Die Meinungsforscher liegen in ihren Prognosen sehr weit auseinander. Die Spanne reicht von 12 Prozent Vorsprung für die Tories bis zu bloss 1 Prozent, was eine riesige Schlappe für May wäre. Das Ergebnis wird wahrscheinlich irgendwo dazwischen liegen. Es wird wohl einen wenig glanzvollen Arbeitssieg für die Tories geben, die damit weiterhin die Regierung stellen werden.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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