Was ist in Israel los? Am 1. November wird in Israel ein neues Parlament gewählt – zum fünften Mal in drei Jahren. Erwartet wird ein Dreikampf zwischen dem rechten Ex-Premier Benjamin Netanyahu, dem liberalen Übergangspremier Yair Lapid und dem Verteidigungsminister Benny Ganz. Dabei sorgt auch eine junge Frau für viel Wirbel: Die Influencerin Hadar Muchtar greift auf Tiktok die etablierten Politiker scharf an.
Wer ist Hadar Muchtar? «Man weiss nicht allzu viel über sie», erklärt die freie Journalistin Gisela Dachs in Israel. «Man weiss, dass sie 20 Jahre alt ist, aus Kirjat Ono stammt, einem kleinen Ort in der Nähe von Tel Aviv, und dass sie sich sehr gut vor der Kamera inszenieren kann.» Ausserdem habe Hadar Muchtar eine neue Partei gegründet, «Die feurige Jugend».
Was ist ihr politisches Programm? «Es hat damit angefangen, dass sie die hohen Lebenskosten in Israel kritisiert hat», sagt die Journalistin. Sie habe verglichen, was eine Hose zum Beispiel in Frankfurt kostet. Sie filmte sich dabei, wie sie im Laden steht und auf die Preise zeigt. «Das kam auf die Dauer nicht so gut an», weiss Dachs. Deshalb habe sie damit aufgehört. «Aber sie wettert weiter gegen hohe Preise und vor allem gegen die etablierten Politiker, die sich, wie sie sagt, eigentlich nur für sich selber interessierten. Sie setzt sich für eine bessere Zukunft für die Jungen ein.»
Das ist eine ganze Generation, die am Handy hängt und Tiktok schaut wie verrückt.
Wieso ist Muchtar so erfolgreich? Der Wahlkampf – das war auch die letzten Male schon so – findet zum Grossteil in den sozialen Medien statt, wie Dachs feststellt. «Und Hadar Muchtar ist ein Champion der Generation Tiktok.» Dadurch, dass man in Israel innerhalb von dreieinhalb Jahren zum fünften Mal wähle, gebe es 21-Jährige, die jetzt schon zum fünften Mal wählen können. «Da ist wirklich die Jugend entdeckt worden, auch als Wählerpotenzial. Und an ihr ist sie am nächsten dran. Das ist eine ganze Generation, die am Handy hängt und Tiktok schaut wie verrückt.»
Wie reagieren die Medien auf sie? Weil Hadar Muchtar aus dem Nichts kam und plötzlich 68'000 Followers hatte und mehrere 100'000 Views auf Tiktok, ist die Frage irgendwann aufgetaucht: «Wer steckt eigentlich dahinter? Ist es irgendjemand anders? Oder wird sie gesponsert von vielleicht Netanjahu, von einer anderen Partei?»
Dagegen habe sie sich klar gewehrt und gesagt, sie sei weder links noch rechts, so die freie Journalistin. «Ab dann war klar, dass sie sich von niemanden hat einspannen lassen.» Mit ihren 20 Jahren könnte sie selber allerdings noch gar nicht als Abgeordnete gewählt werden, denn dafür muss man in Israel mindestens 21 Jahre alt sein. Doch Ministerin dürfte sie durchaus sein. Denn dafür gibt es keine Altersbeschränkung.
Ist Hadar Muchtar eine Eintagsfliege? «Dazu müsste man sehen, ob sie nach den Wahlen weitermacht», sagt Dachs. «Und sie braucht natürlich Leute, die ihr politisch folgen.» Doch selbst wenn sie bei den Wahlen im November antreten wollte, habe sie gar keine Liste: «Ein anderer bekannter Politiker wollte sie mit auf seine Liste nehmen, und sie sagte Nein, sie lasse sich nicht vereinnahmen.» In dem Punkt sei sie konsistent und klar. «Vielleicht hat sie das Zeug, sich auf Dauer durchzusetzen», sagt die Journalistin. Denn: «Israel ist eine sehr junge Gesellschaft und in ein oder zwei Jahren könnte das tatsächlich zu mehr führen bei ihr.»