Wahlkampf war schon immer eine Stärke von Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu: So schaffte er es, seit 2009 ununterbrochen an der Macht zu bleiben. «Bibi», wie ihn in Israel alle nennen, ist der am längsten amtierende Ministerpräsident des Landes.
Diese Karriere steht nun auf dem Spiel: Gegen Netanjahu laufen Untersuchungen wegen Korruption. Der Oberstaatsanwalt hat angekündigt, gegen den 69-jährigen Netanjahu Anklage erheben zu wollen – wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue. «Das könnte seine politische Karriere beenden», sagt Gideon Rahat, Politologe am Israel Democracy Institute. «Netanjahu kämpft bei den Wahlen deshalb um sein Leben.»
«Bibi» mit den besten Kontakten
So hat Netanjahu etwa angekündigt, im Falle seiner Wiederwahl das Jordantal annektieren zu wollen. Etwas, was vor allem bei Siedlern aus dem Westjordanland oder rechtsreligiösen Wählern gut ankommt. Ausserdem inszeniert sich «Bibi» als Mann mit besten Kontakten zu den Mächtigsten der Welt: Auf den Wahlplakaten posiert Netanjahu etwa händeschüttelnd mit US-Präsident Donald Trump.
Benjamin Netanjahu hofft, so eine rechte Mehrheit in der Knesset zu bekommen, die ihm dann mit einer Gesetzesänderung Immunität vor den möglichen Strafverfolgungen verschaffen könnte. Ob das gelingt, ist offen. Umfragen sehen den von Netanjahus Likud-Partei angeführten rechten Block etwa gleichauf mit den Mitte-links-Parteien.
Der gefährlichste Herausforderer für Netanjahu ist Ex-General Benny Gantz. Der 60-Jährige und sein Mitte-Bündnis «Blau-Weiss» (Kahol Lavan) treten mit demselben Programm an wie bereits im April. Dabei geht’s vor allem um eines: «Nicht mehr Netanjahu». Das kommt vor allem in säkularen Städten wie Tel Aviv gut an.
Säkulare Einheitsregierung nur ohne Netanjahu
Umfragen sehen Gantz’ Mitte-Bündnis Blau-Weiss gleichauf wie die Likud-Partei von Netanjahu – wie bereits bei den letzten Parlamentswahlen im April. Um regieren zu können, wäre Benny Gantz auf Partner angewiesen. In den letzten Tagen hat er bekanntgegeben, dass er sich eine säkulare Einheitsregierung mit Likud vorstellen könnte – allerdings nur ohne Netanjahu. Er wolle mit niemandem in einer Regierungskoalition sitzen, gegen den Anklage erhoben werden könnte, so die Begründung.
Entscheiden, wer Premier wird, könnte deshalb ein ganz anderer: Netanjahus ehemaliger Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Der 61-Jährige ist ein Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Seine Partei «Yisrael Beiteinu» gilt als rechtsnationalistisch, aber nicht religiös.
Israel als säkularer oder religiöser Staat
Lieberman ist dafür verantwortlich, dass Netanjahu nach den Wahlen im April keine Regierung bilden konnte. Er hatte gefordert, dass auch Ultraorthodoxe künftig Militärdienst leisten müssen. «Damit hat Lieberman das Thema, ob Israel ein säkularer oder religiöser Staat sein soll, zum Wahlkampfthema gemacht», sagt Politologe Gideon Rahat. Eine Forderung, die ihm Sympathiepunkte eingebracht hat: Umfragen prognostizieren, dass Liebermans Partei fast doppelt so viele Knesset-Sitze holen wird als noch bei der Wahl im April.
Lieberman kann sich sowohl Gantz als auch Netanjahu als Ministerpräsident vorstellen. Am liebsten wäre ihm eine Einheitsregierung mit seiner eigenen Partei, Likud und «Blau-Weiss».