Ein betonierter Hinterhof in einem ärmlichen Quartier in der nordisraelischen Hafenstadt Haifa. Einige junge Männer wischen den Boden, stellen Plastikstühle auf und bereiten Wasserpfeifen vor. Eine politische Veranstaltung steht an: Mansour Abbas tritt auf, Parteichef und Abgeordneter der «Vereinigten Arabischen Liste» – der Partei, die der Islamischen Bewegung in Israel nahesteht. Etwa fünfzig vorwiegend junge Männer sind gekommen, um ihm zuzuhören.
Abbas und seiner Partei ist gelungen, was bisher einzigartig ist in der 74-jährigen Geschichte des Staates Israel: Zum ersten Mal war eine arabische Partei Teil der Regierungskoalition. Die Koalition hat aber nicht gehalten – deswegen wird am 1. November gewählt. Schon wieder: es ist die fünfte Wahl in knapp vier Jahren.
Mansour Abbas will die palästinensischen Israeli davon überzeugen, erneut ihm und seiner Partei ihre Stimme zu geben. Dazu zählt er seine Erfolge auf: Verbesserungen der Lebensumstände der arabischen Minderheit in Israel in den Bereichen Verbrechensbekämpfung, Stromversorgung, Transport und Wohnungsbau etwa. Er räumt aber ein, dass die Erfolge relativ seien. Er brauche mehr Zeit.
Samir Zidan ist zufrieden mit Abbas’ Regierungsbilanz. Der 48-jährige Geschichtslehrer mag dessen pragmatische Art und findet es sehr wichtig, dass sich die arabischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger am politischen Prozess beteiligen. Nur so könnten sie darauf hinwirken, ihren Status als nationale Minderheit zu verbessern. Für ihn ist Wählen Teil der demokratischen Kultur.
Ärger über Aufspaltung
Das gilt längst nicht für alle palästinensischen Israeli. Viele wollen diesmal nicht wählen gehen, nicht zuletzt aus Zorn über die arabischen Parteien. Anstatt sich wie früher zu einer gemeinsamen Liste zusammenzuschliessen, um das Wählerpotenzial möglichst zu optimieren, haben sich die Politiker zerstritten. Nun treten gleich drei arabische Parteien an. Noch ist unsicher, ob sie es alle schaffen, die 3.25-Prozenthürde zu überspringen.
Der Publizist Nazir Majali aus Nazareth, der grössten arabischen Stadt Israels, kann jene gut verstehen, die die Wahlen boykottieren. Die Spaltung innerhalb der arabischen Parteien findet er einen strategischen Fehler. Trotzdem wünscht er sich eine möglichst hohe Stimmbeteiligung unter den palästinensischen Israeli. Denn sie haben es theoretisch in der Hand, dem rechten Block unter Likud-Chef und Ex-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Mehrheit im Parlament zu verwehren.
Hoffnung auf hohe Wahlbeteiligung
Netanjahu ist ein Bündnis eingegangen mit der Parteienliste «Religiöser Zionismus», die am äussersten rechten Rand politisiert. Itamar Ben Gvir, einer ihrer Exponenten, ist ein notorischer Provokateur und hat sich etwa dafür ausgesprochen, arabische Staatsbürger zu deportieren, sollten sie sich nicht zu Israel als jüdischem Staat bekennen.
Viele Israeli fürchten sich vor einer Regierungsbeteiligung dieser Rechtsaussen-Partei. Der politische Analyst Nazir Majali wünscht sich ein Signal der aktuellen Regierung unter Yair Lapid an die Adresse der palästinensischen Israeli: Wir nehmen euch und eure Anliegen ernst. Ob Lapids Besuch in Nazareth diese Woche die Motivation, zur Wahl zu gehen, tatsächlich steigert, wird sich erst am Wahltag zeigen.