Was ist das Ziel eines FPÖ-Kanzlers Herbert Kickl? Er selbst umschreibt es so: «Eine Insel der Seligen. Man könnte auch sagen: eine Insel der Glücklichen.» Kickl will die Bevölkerung mit österreichischem Pass von der Wiege bis zur Bahre staatlich unterstützen.
Die Familie Österreich soll aufblühen und ihr volles Potenzial entfalten – in der Festung Österreich, der Festung der Freiheit.
Zum Beispiel mit einer steuerlichen Entlastung für Junge zu Beginn des Berufslebens und 5000 Euro Prämie für den Abschluss einer Lehre. Dazu mehr Kinderbetreuung, mehr Ärzte und mehr Polizei. Ebenso höhere Wohnförderung und höhere Löhne für das Pflegepersonal. Und schliesslich steuerfreie Sparguthaben, steuerfreie Überstunden und einen steuerlicher Bonus für Menschen über 60.
Und das alles ohne neue Steuern. Denn diese Familie Österreich soll aufblühen und ihr volles Potenzial entfalten können, betont Kickl und ergänzt: «Und der Ort, an dem sie das tut, ist die Festung Österreich, die Festung Freiheit. Der Ort, wo neue Steuern keinen Platz haben.»
Dass in Wahlkämpfen das Blaue vom Himmel versprochen wird, ist normal. Aber mit welcher Dreistigkeit die FPÖ jede Gegenfinanzierung ausklammert, ist schon einmalig. Norbert Nemeth, der Architekt des FPÖ-Wahlprogramms, betont: «Wir wollen, wir sind bereit dazu, wir trauen uns zu, mit den richtigen Leuten natürlich. Und dann wird man umschichten.»
Im Visier: Asylbewerber
Gespart werden soll bei den Asylbewerbern. Sozialleistungen sollen an den österreichischen Pass gekoppelt werden. Das geht rechtlich natürlich nur bedingt. Doch die FPÖ will alle internationalen Abkommen und völkerrechtlichen Verträge zur Disposition stellen und gegebenenfalls kündigen.
Ist das Nachbarland Ungarn unter Premier Viktor Orban Vorbild für Herbert Kickl? Ungarn ist bevölkerungs- und flächenmässig ähnlich klein wie Österreich, gilt als illiberale Demokratie und als Querulant in der EU.
Ungarn als Vorbild?
Die Antwort des renommierten Migrationsforschers Gerald Knaus überrascht: Zwar sprächen die FPÖ und auch die regierende ÖVP seit Jahren von einer restriktiven Migrationspolitik. Doch im Ergebnis seien keine zwei Länder Europas weiter voneinander entfernt: «Ungarn hat de facto keine Asylanträge mehr, obwohl das Land an der EU-Aussengrenze liegt. Österreich hatte die höchste Zahl Asylanträge pro Kopf in den vergangenen zehn Jahren.»
Österreich hält sich geradezu vorbildlich an das geltende Recht – trotz negativer Folgen.
Als Grund nennt Knaus den funktionierenden Rechtsstaat. Österreich halte sich geradezu vorbildlich an das geltende Recht – trotz negativer Folgen. Als Beispiel nennt er Österreichs seit Jahren laufende Binnengrenzkontrollen im Schengenraum. Denn die Aufgegriffenen dürften gemäss EU-Recht einen Asylantrag stellen und würden nicht nach Ungarn zurückgedrängt.
Wunsch und Wirklichkeit
Die Realität sei also trotz harscher Rhetorik der regierenden ÖVP und der FPÖ, die bis 2019 mitregierte, eine ganz andere, lobt der Migrationsexperte. Käme die FPÖ an die Regierung, käme es nach seinen Worten zu einem Ringen zwischen Kickl und dem Rechtsstaat Österreich – ähnlich wie in den USA zwischen Donald Trump und der Justiz.
Oder wie zwischen Premier Orban und dem ungarischen Rechtsstaat. Herbert Kickl hätte allerdings schlechtere Karten als Orban, der seit 14 Jahren ununterbrochen an der Macht ist und eine Zweidrittelmehrheit im Parlament hat. Die FPÖ wird zwar laut Umfragen die Wahl gewinnen, aber höchstwahrscheinlich keinen Koalitionspartner finden – und wenn doch, von diesem gebremst werden.