Wenn es darum ging, Migranten aus Afrika abzuschieben, stand Ruanda auf der Wunschliste zuoberst, zumindest bei der vorherigen britischen Regierung. Auch in der Schweiz werden Überlegungen in dieser Art angestellt, wie ein Vorstoss der FDP kürzlich gezeigt hat. In Ruanda finden zurzeit Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. SRF-Afrika-Korrespondentin Sarah Fluck beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was macht Ruanda aus bürgerlicher Sicht zu einem geeigneten Land für Abschiebungen?
Nach dem Völkermord von 1994 lag Ruanda in Trümmern. Unter Präsident Paul Kagame hat sich das Land wirtschaftlich erholt. Wer heute durch die Hauptstadt Kigali geht, sieht, dass alle Strassen asphaltiert sind. Es gibt kaum Polizeikorruption. Strom und Internet sind verfügbar. Dies ist durch westliche Finanzierung gelungen. Im Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern hat sich Ruanda als verlässlicher Partner westlicher Geldgeber erwiesen. Das lässt das Land für Abschiebungen attraktiv erscheinen.
Wieso wird erwartet, dass Präsident Paul Kagame im Amt bestätigt wird?
Seit 2000 hat er jedes Mal mit überwältigender Mehrheit von über 93 Prozent gewonnen. Seine Herrschaft ist geprägt von eiserner Kontrolle, Wahlmanipulationen und der Unterdrückung jeglicher Opposition. Viele Oppositionskandidaten wurden verhaftet, manche sind sogar auf mysteriöse Art verschwunden. Kagame hat quasi eine Abmachung mit dem Volk: Entwicklung im Austausch gegen Demokratie. Solange die wirtschaftliche Stabilität gewahrt bleibt, akzeptieren die Menschen Einschränkungen der politischen Freiheiten.
Welche Rolle spielte Kagame damals beim Genozid an den Tutsis?
Er spielte eine entscheidende Rolle. Kagame ist als Flüchtling in Uganda aufgewachsen und wurde dort zum Soldaten ausgebildet. Er war Kommandant in der Befreiungsarmee, die sich von Uganda durch den Busch nach Ruanda gekämpft und den Völkermord beendet hat. Er wurde erst Vizepräsident und Verteidigungsminister. De facto war er bereits Anführer des Landes, bis er dann 2000 offiziell gewählt wurde.
Was macht den Menschen in Ruanda Sorgen, wenn sie an die Zukunft denken?
Das Parlament hat vor ein paar Jahren die Verfassung geändert. Damit kann Kagame bis mindestens 2034 im Amt bleiben. Es stellt sich trotzdem die Frage seiner Nachfolge. Er gehört zu einer Tutsi-Minderheit, die 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht, während die Hutu die Mehrheit stellen. Alte Konflikte könnten wieder aufflammen und die Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung gefährden. Weitere Themen sind die steigenden Lebenshaltungskosten, fehlende Ernährungssicherheit, grosse ländliche Armut.