Noch nie wurde in Brasilien so viel Geld so kurz vor Präsidentschaftswahlen verteilt. Das grösste Sozialhilfepaket in der Geschichte des Landes beinhaltet einerseits Direkthilfe für die Ärmsten.
Der monatliche Beitrag an sie wird auf umgerechnet 100 Franken verdoppelt. Verdoppelt wird auch die Subvention für Kochgas, von der derzeit sechs Millionen Familien profitieren.
Das Gute – also ich – hat stets alle Schlachten gewonnen.
Das Sozialhilfepaket soll Lastwagen und Taxifahrerinnen und -fahrern zugutekommen. Umgerechnet 180 Franken pro Monat bekommen sie bar auf die Hand – als Ausgleich für die hohen Benzinpreise.
Mit der Zustimmung zum Milliarden-Sozialhilfepaket musste der Kongress die brasilianische Verfassung ändern, um die Ausgabenobergrenze des Landes zu umgehen.
Nur mit Trick war das möglich
«Den Linken ist die Bevölkerung egal. Sie wollen immer mehr Geld aus euch rauspressen, euch Steuerzahler ausnehmen», sagte Präsident Jair Bolsonaro an einer Wahlkampfveranstaltung. Und weiter: «Wir sind mitten in einem Kampf des Guten gegen das Böse. Und das Gute – also ich – hat stets alle Schlachten gewonnen.»
In zweieinhalb Monaten ist die Präsidentenwahl – und in Brasilien ist es verboten, so kurz vor Wahlen Sozialhilfeprogramme einzurichten, da dieser Schritt als Manipulation der Wählerinnen und Wähler angesehen wird.
Schnappt euch das Geld von Bolsonaro und kauft etwas zu Essen. Aber bei der Wahl zeigt ihr ihm eine Banane und wählt uns!
Präsident Bolsonaro umging dieses Verbot mit einem Trick: Aufgrund der hohen Benzinpreise im Zuge des Ukraine-Konflikts hat die Regierung einen nationalen Notstand ausgerufen und so das Verbot gekippt.
Bolsonaro laut Umfragen weit hinter Lula
Es sei ein Skandal, wegen hoher Benzinpreise den Notstand auszurufen, sagt der renommierte brasilianische Politologe William Waack auf CNN Brasil. «Wir sind überhaupt nicht in einem Notstand. Bolsonaro setzt alles auf dieses ‹Sozialhilfegesetz der Verzweiflung›. Ich sage Verzweiflung, weil er sich Wählerstimmen durch soziale Wohltaten erkauft.»
Bolsonaro erkämpft sich Wählerstimmen durch soziale Wohltaten.
Gemäss aktuellen Meinungsumfragen führt der linke Präsidentschaftskandidat Lula da Silva mit zehn Prozentpunkten vor dem ultrarechten Bolsonaro.
Auch Lulas Partei stimmte zu
Der amtierende Präsident hat mit seinem Sozialprogramm die Opposition in die Zwickmühle gebracht. Denn sie weiss, dass diese Milliardenhilfe vor Wahlen verboten ist und wichtige Wählerstimmen bringen könnte.
Trotzdem stimmte die Opposition im Kongress den Milliarden zu – schliesslich wollte sie ihre Wählerschaft in Zeiten von Inflation und hohen Treibstoffpreisen auch nicht im Regen stehen lassen.
Sogar die linke Arbeiterpartei stimmte weitgehend für Bolsonaros Sozialhilfeprogramm. Ihr Parteichef und Bolsonaros Herausforderer da Silva riet seinen Anhängerinnen und Anhängern: «Ich möchte euch folgendes raten: Wenn Bolsonaros Geld auf euer Konto kommt, schnappt es euch und kauft etwas zu Essen. Aber danach bei der Wahl zeigt ihr ihm eine Banane und wählt uns, damit wir die Geschichte dieses Landes ändern!»