«Unser Flugzeug steht nutzlos in Südafrika herum», echauffiert sich Hervé Diakiese vor der versammelten Presse. Der Wahlkampfchef von Präsidentschaftskandidat Moïse Katumbi sagt, die kongolesischen Behörden würden aus politischen Motiven die Bewilligung für das gemietete Flugzeug verweigern.
Der Medientermin findet am Strassenrand in der Hauptstadt Kinshasa statt, vor einem Kino. Eigentlich habe man den Kinosaal gemietet, erklärt Diakiese der Medienschar. «Doch wir wurden soeben aus dem Saal gewiesen. Sie sehen, wie man uns behandelt.» So werde die Opposition in Meinungsäusserung und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, bilanziert der Wahlkampfchef.
Oppositionskandidat Katumbi hat bereits drei Flugzeuge, nun fehlt das vierte, hat die Opposition keine grösseren Probleme? Im Auto unterwegs zum nächsten Termin rechtfertigt sich Diakiese. Man sei in Kongo-Kinshasa auf Flugzeuge angewiesen: «Gewisse Orte im Land sind unzugänglich, wir haben keine Strassen. Das erschwert Logistik und Finanzierung des Wahlkampfs.»
«Wer nichts erhält, geht frustriert nach Hause»
Der Anwalt Diakiese ist seit sechs Uhr morgens unterwegs – an Sitzungen, im Stau, an Anlässen. Gerade diskutiert er mit einem Mitarbeiter, wie viele T-Shirts an einem Anlass später verteilt werden sollen. Schliesslich entscheidet er, es werde nur Flyer geben. «In unserer Wahlkampfkultur erwartet die Bevölkerung T-Shirts des Kandidaten. Aber wenn wir nicht allen etwas geben können, dann gehen viele frustriert nach Hause.» Ein bedrucktes Shirt kostet einen bis drei Franken. Davon werden Tausende verteilt, mit dem Konterfei von Diakiese, oder von Präsidentschaftskandidat Moïse Katumbi.
Wie viel kostet die Präsidentschaftskampagne des Oppositionellen Moïse Katumbi? «Das geht in die Millionen Dollar. Man braucht Flugzeuge, Plakate, Geld für Mobilisierung», erzählt Diakiese. Sein persönlicher Wahlkampf für einen Parlamentssitz sei dagegen handgestrickt. «Doch für Katumbi führen wir eine industrielle Kampagne.»
Geschäftsmann Katumbis Chancen auf einen Wahlsieg sind klein. Immerhin ist er der aussichtsreichste Herausforderer von Präsident Felix Tshisekedi. Die Millionen für den Wahlkampf stammen von Katumbi persönlich, von Bekannten und von Geschäftsleuten. Droht da nicht eine Abhängigkeit? Wahlkampfchef Diakiese schüttelt den Kopf: «Das Problem sind jene, die Geld vom Staat nehmen, um Wahlkampf für den Präsidenten zu machen. Wir nutzen unsere Beziehungen, das ist nicht unethisch.»
Zwei Franken pro WählerIn
Gegen 19 Uhr, nach Einbruch der Dunkelheit, ist Diakiese endlich an einem Wahlkampfanlass in einem Aussenquartier Kinshasas angekommen. Die 250 Wählerinnen und Wähler haben Stunden ausgeharrt. Dafür erhielten sie rund zwei Franken pro Person.
Nun wird geklatscht, gesungen und gejubelt. Hervé Diakiese wettert gegen die korrupte Regierung und lobt seinen Kandidaten. Nach zwanzig Minuten ist der Kurzbesuch vorbei. Die Organisatorin folgt Hervé Diakiese noch ins Auto. Sie hätte gern siebenhundert Dollar für den Anlass. Diakiese gibt ihr schlussendlich dreihundert Dollar für «Sodas» - dann entschwindet er in die Nacht.
Wahlen in Afrika leben von Geschenken, Getränken, T-Shirts und Geld. Früher war Hervé Diakiese Menschenrechtsanwalt – heute ist er in der Politik. Hat er damit von der guten auf die böse Seite gewechselt? «Nein! Früher durfte ich nur beraten und Communiqués veröffentlichen. Jetzt bin ich da, wo entschieden wird.»
Und da, wo das Geld ist – im Wahlkampf in Afrika.