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Gespräch mit ARD-Moskaukorespondentin Sabine Stöhr
Aus SRF 4 News aktuell vom 20.09.2018.
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Wahlwiederholung in Russland Der Präsident kann auch anders

In Wladiwostok ist die Gouverneurswahl zugunsten des von Präsident Wladimir Putin unterstützten Amtsinhabers Andrei Tarasenko manipuliert worden. Nach Klagen über Wahlfälschung durch die Anhänger des unterlegenen Kandidaten der Kommunisten wird der Urnengang wiederholt.

Die Ansetzung einer Wahlwiederholung sei ein einmaliger Vorgang im Russland unter Putin, sagt die ARD-Korrespondentin in Moskau, Sabine Stöhr.

Sabine Stöhr

ARD-Korrespondentin

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Sabine Stöhr ist seit 2016 Radio-Korrespondentin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in Moskau. Sie berichgtet von dort auch für die ARD.

SRF News: Weshalb besteht die Vermutung, es sei in Wladiwostok nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen?

Sabine Stöhr: Beim ersten Wahlgang der Regionalwahl für den Gouverneursposten in der Region Primorje ganz im Osten Russlands hatten weder der Kandidat der Putin-Partei «Einiges Russland», noch jener der Kommunisten die absolute Mehrheit gewonnen. Es kam also zu einer Stichwahl. Während der Auszählung der Stimmen dieses zweiten Wahlgangs lag lange Zeit der Kommunist vorne – erst kurz vor Schluss überholte ihn der Kandidat Putins.

Putin unterstützt eine Wiederholung der Wahl – für viele eine Überraschung.

Die letzten fünf Prozent der ausgezählten Stimmen sollen praktisch alle für ihn gestimmt haben. Deshalb sprach der Kandidat der Kommunisten von Wahlfälschung. Zunächst hiess es, die zentrale Wahlkommission solle die Vorwürfe prüfen. Gestern nun meldete sich der Kreml zu Wort: Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte, der Präsident unterstütze eine Wiederholung der Wahl. Für viele hier ist das zumindest ein Novum, wenn nicht gar eine Überraschung.

Wladimir Putin und Andrei Tarasenko sitzen sich an einem Tisch gegenüber.
Legende: Trotz der Unterstützung Putins wurde der Gouverneur von Primorje, Andrei Tarasenko (rechts), nur dank Wahlmanipulation gewählt. Imago

Putin hatte den amtierenden Gouverneur Tarasenko im Wahlkampf offen unterstützt. Trotzdem schaffte dieser die Wahl erst im zweiten Wahlgang und erst noch unter fragwürdigen Umständen. Ist das Votum deshalb auch eines gegen Putin und seine Partei «Einiges Russland»?

Tatsächlich ist es ein Votum gegen die russische Regierungspartei. Grund dafür ist die grosse Unzufriedenheit mit der geplanten Rentenreform. Im Juni hatte die russische Regierung versucht, diese Reform hinter der Fussball-WM zu verstecken, indem sie ihre Pläne just zum Zeitpunkt des Eröffnungsspiels bekannt gab – wohl in der Hoffnung, dass die Nachricht irgendwie im allgemeinen Fussballrummel untergeht. Die Reform sieht eine Erhöhung des Rentenalters bei Männern um fünf Jahre auf 65 und bei Frauen um acht Jahre auf 63 vor.

Die Unzufriedenheit mit der Rentenreform ist im ganzen Land gross.

Wegen der kürzeren Lebenserwartung in Russland schlägt ein solcher Plan noch eklatanter ein als etwa in Westeuropa. Auch konnten sich die Pensionäre bislang dank dem tiefen Pensionsalter noch jahrelang etwas hinzuverdienen, damit es zum Leben reicht. Nach Bekanntgabe der Reformpläne kam es im ganzen Land zu Strassenprotesten, woraufhin Putin die Reform etwas abgemildert hat, vor allem für die Frauen. Trotzdem ist die Unzufriedenheit gross. Dabei ist die Rentenreform bloss der Katalysator: Für viele im Land sinkt der Lebensstandard, weil die Wirtschaft nicht vorankommt.

Demonstranten und rote Fahnen um eine Lenin-Statue.
Legende: Wie hier in Moskau haben vor allem Anhänger der Kommunisten in ganz Russland gegen die Rentenreform protestiert. Keystone

Weshalb hat Putin gerade in der 6500 Kilometer von Moskau entfernten Region von Primorje einen so schweren Stand?

Wladiwostok liegt geografisch sehr fern im Osten – und auch politisch fern von Moskau. Der lange Arm des Kreml verliert hier an Kraft. Im Vorfeld der Wahl in Wladiwostok lautete das Credo offenbar, jeden zu wählen – ausser den Kreml-Kandidaten. Und dafür dürften weniger wirtschaftliche als vielmehr die geschilderten Gründe rund um die Pensionsreform ausschlaggebend sein. Denn wirtschaftlich profitiert die Region im Osten eher von den Sanktionen des Westens wegen der Krim-Annexion. Wladiwostok liegt nahe bei China und Japan. Deshalb wird in das «Tor zum Osten» wieder mehr investiert, deshalb geht es wirtschaftlich besser als auch schon.

Der eine oder andere Wähler in Russland hofft wohl, dass künftige Wahlen nicht mehr manipuliert werden könnten.

Wie geht es nach dem mutmasslichen Wahlbetrug in Wladiwostok jetzt weiter?

Bereits hat die regionale Wahlkommission den Wahlgang annulliert – alles wird auf Anfang gesetzt. So etwas hat es unter Präsident Putin noch nie gegeben, entsprechend gross ist die Überraschung. Der eine oder andere Wähler in Russland hofft wohl schon, dass künftige Wahlen freier ablaufen könnten und nicht mehr manipuliert werden. Allerdings muss man zunächst abwarten, was weiter passiert. Der neue Wahltermin in Wladiwostok ist noch nicht bekannt, man weiss einzig, dass er vor dem 16. Dezember liegen muss.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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