Zena Li zieht ihren fünfjährigen Sohn Xiaoyi allein gross. Die 35-Jährige hat sich bereits während der Schwangerschaft von ihrem Freund, dem Vater von Xiaoyi, getrennt. Das stellte die werdende Mutter vor ein grosses Problem. «Ich konnte damals als unverheiratete Mutter mein Kind nicht bei den Behörden registrieren», erzählt Zena Li.
Die Registrierung bei Geburt ist in China zentral. «Ohne Registrierung existierst du nicht», so Zena Li. «Man kann keine Versicherung abschliessen, erhält keinen Reisepass und kann zum Beispiel auch nicht Zug fahren.»
Die Mutter und ihr Sohn leben in einem Vorort von Peking. Zwar lockerte die zuständige Lokalbehörde die Registrierungsrichtlinien per 1. Januar 2019. Doch für Zena Li kam die Änderung zu spät. Ihr Sohn Xiaoyi wurde im November 2018 geboren: «Also haben mein Ex-Freund und ich geheiratet und uns sofort wieder scheiden lassen.»
Demografischer Wandel führt zu Umdenken
Zena Lis Geschichte ist kein Einzelfall. Jahrzehntelang standen in China unverheiratete Mütter vor schier unüberwindbaren Hürden. Nun nehmen die Hürden ab. «Die Überalterung der Gesellschaft ist der grösste Treiber hinter den Veränderungen in der chinesischen Familienpolitik», erklärt Dong Xiaoying. Die Anwältin setzt sich seit zehn Jahren für die Rechte von alleinerziehenden Frauen ein. China kämpft mit einem starken Geburtenrückgang und einer Überalterung. 2023 schrumpfte die Bevölkerung zum zweiten Mal in Folge.
In vielen Städten haben Unverheiratete nach wie vor kein Anrecht auf Mutterschaftsversicherung. Hinzu kommen Dinge wie Diskriminierung am Arbeitsplatz und Stigmatisierung.
Obwohl die Registrierung bei Geburt seit ein paar Jahren für alle möglich ist, bleibt es schwierig. Es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen, welche laut Dong Xiaoying nur Verheirateten vorbehalten sind: «In vielen Städten haben Unverheiratete nach wie vor kein Anrecht auf Mutterschaftsversicherung. Hinzu kommen Dinge wie Diskriminierung am Arbeitsplatz und Stigmatisierung.»
Es gibt keine offiziellen Zahlen dazu, wie viele Alleinerziehende in China leben. Eine Schätzung geht aber von rund zwanzig Millionen aus. Das ist angesichts von 1.4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern nicht viel und ist auch im internationalen Vergleich wenig. Zum Beispiel zählt Deutschland bei rund 85 Millionen Menschen gut zwei Millionen alleinerziehende Mütter.
Es gibt noch viel zu tun
Die Anwältin Dong Xiaoying glaubt, dass es künftig in China mehr Alleinerziehende geben wird: «Aber zuerst müssen wir den Zugang zur Mutterschaftsversicherung für alle garantieren.» Und letztlich gehe es nicht nur um Gleichstellung, sondern auch um mehr Unterstützung. «Es braucht zum Beispiel Subventionen und ein besseres Kinderbetreuungsangebot für alleinerziehende Mütter.»
Das ist auch das, was sich Zena Li wünscht. «Der Kindergarten sollte wie die Grundschule gratis sein und länger offen haben. So könnte ich am Abend ein paar Stunden länger arbeiten.»